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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Clapton
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Gitarrengott, oder ich krümmte mich am Boden, denn wenn man mir meine Gitarre und mein Dasein als Musiker nahm, war ich ein Nichts. Ich hatte ungeheure Angst, meine Identität zu verlieren. Gut möglich, dass diese »Clapton ist Gott«-Geschichte dahintersteckte, die mein Selbstwertgefühl mehr oder weniger von meiner Karriere als Musiker abhängig gemacht hatte. Als sich aber die Aufmerksamkeit auf mein Wohlbefinden als Mensch und auf die Erkenntnis richtete, dass ich Alkoholiker war und an derselben Krankheit litt wie alle anderen, kam es bei mir zur Kernschmelze.
    Anfangs zog ich mich völlig zurück. Mein Therapeut und die meisten anderen, die mich betreuten, hielten das für meine Masche, nichts von mir preisgeben zu müssen. Ich selbst aber glaube, dass ich vergessen hatte, wie man das macht, und dass ich ohne meine Gitarre nicht mehr imstande war, etwas über mich auszusagen. Seit über zwanzig Jahren war sie meine Partnerin und gab mir die Kraft und die Möglichkeit, mich auszudrücken, ohne sie hatte ich sozusagen keinen Bezugspunkt mehr. Ich wusste nicht, wo und wie ich zu erzählen anfangen sollte, und daher drückte ich mich nur im Hintergrund herum. Dann begann ein Teil meines Verstandes darüber nachzudenken, was ich noch alles tun musste, um meinen Aufenthalt in der Klinik erfolgreich abzuschließen und wie die anderen schließlich von dort fortzugehen. Ich wusste, denn damit drohten sie einem ständig: Wenn man am Ende des ersten Monats nicht den Eindruck machte, zur Rückkehr in die Gesellschaft bereit zu sein, weil man sich immer noch im Griff seiner Sucht befand, dann würden sie die Verlegung in die Psychiatrie empfehlen (die hier Jelonek hieß), und das bedeutete noch mehr Medikamente und noch intensivere Behandlung.
    Wie die anderen Abteilungen beherbergte Silkworth achtundzwanzig Personen und war im Wesentlichen autark. Natürlich gab es einige Therapeuten vor Ort, die alles im Auge behielten und dafür sorgten, dass nichts außer Kontrolle geriet. Aber es waren alle füreinander verantwortlich, und alle achteten darauf, dass niemand sich danebenbenahm. Man erwartete von uns, dass wir aufrichtig und hilfsbereit waren, uns gegenseitig respektierten und uns anständig aufführten – Dinge, die ich gern tun wollte, ohne genau zu wissen, wie ich das anfangen sollte. Tatsache ist, dies war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich in einer wirklich demokratisch organisierten Gemeinschaft befand. Halbwegs Ähnliches hatte ich nur mit den Leuten in Long Acre erlebt, als wir uns bei den Sessions gemeinsam bekifft hatten. In der Klinik war ich am Anfang vollkommen ratlos, wie ich mich anderen mitteilen sollte, und hatte große Angst davor. Also verfiel ich in meine alte Schüchternheit und fing an zu stottern.
    Als man der Meinung war, ich könnte wieder auf meinen eigenen Füßen stehen, übertrug man mir Aufgaben, von denen die einfachste lautete, mein Bett selbst zu machen, was ich noch nie zuvor getan hatte, und mich und meine Umgebung sauber und ordentlich zu halten. Als Nächstes bekam ich die Aufgabe, den Tisch für unseren Trakt zu decken. Ziemlich schwierig für einen, der mit solchen häuslichen Arbeiten absolut keine Erfahrung hatte. Jede Gruppe war hierarchisch gegliedert, es gab einen Leiter und einen Aufseher, auch »Schweinemeister« genannt, der die Verantwortung dafür trug, dass jeder seine Pflichten erfüllte. Man hatte kaum eine Chance, sich zu drücken, und hätte ich es versucht, hätte der Schweinemeister mir Beine gemacht. Der Tag begann mit Gebeten, dann gab es Frühstück und anschließend alle möglichen Aktivitäten: Gruppensitzungen, Vorträge, psychologische Tests und Gymnastik, dazwischen die Mahlzeiten. Alles war so organisiert, dass man ständig zu tun hatte, bis man abends in einem Zustand geistiger Erschöpfung auf dem Bett zusammenbrach. Auf diese Weise schlief man problemlos ein, was für mich, der ich immer nur betrunken hatte einschlafen können, eine großartige Erfahrung war.
    Was mir am Anfang die größte Angst machte, waren die Gruppentherapiesitzungen, auf denen wir ermutigt wurden, uns gegenseitig mit unserem Verhalten innerhalb der Abteilung zu konfrontieren. Ich hatte nie gelernt, mir gegenüber aufrichtig zu sein. Gerade dies hatte ich ja vermeiden müssen, damit ich unbehelligt trinken konnte. Und nun saß ich da, wund und verletzlich, und fragte mich, wie ich mit der Person, die ich nun geworden war, Kontakt aufnehmen könnte. Aber genau dafür

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