Mein Leben
die anderen unter sich blieben.
Das ging so weit, dass wir kaum noch etwas gemeinsam unternahmen. Auf der Bühne war alles okay, aber alles andere ging den Bach runter. Ohne dass ich es mitbekommen hatte, war Carl Radle schwer heroinsüchtig geworden, und auch mit mir ging es ziemlich bergab. Ich trank täglich mindestens zwei Flaschen von allem, was ich in die Finger bekam. Im Juni, am Ende der Tour, war ich in einem so schlimmen Zustand, dass ich wusste, es musste sich etwas ändern, und sosehr es mich bedrückte, wies ich Roger an, die Band aufzulösen. Er kündigte ihnen telegrafisch, während ich wegschaute.
In den nächsten zwei Jahren führte das Trinken mich zum absoluten Tiefpunkt. Es überlagerte alles, was ich tat. Sogar meine neue Band formierte sich in einem Pub. Gary Brooker war ein alter Freund aus Yardbirds-Zeiten, als er bei den Paramounts Keyboard gespielt hatte. Wir waren zusammen auf Tour gewesen und gut miteinander ausgekommen, und als er später bei Procol Harum war, begegneten wir uns auch gelegentlich und wurden Freunde, die sich gegenseitig respektierten. Mitte der Siebziger spielte er regelmäßig zwei- oder dreimal die Woche im »Parrot Inn« in Forest Green, einem Pub nicht weit von Hurtwood, und wenn ich zu Hause war, ging ich manchmal hin und spielte mit. Seit Pattie und ich verheiratet waren, kam das öfter vor, und es ergab sich, dass auch Joe Cockers brillanter Keyboarder Chris Stainton mitmachte. Nach und nach kam so eine neue Truppe zusammen: ich und Gary, Chris, Albert, Dave Markee am Bass und Henry Spinetti am Schlagzeug.
Nach einem Testgig vor örtlichem Publikum in der »Cranleigh Village Hall« gingen wir auf Tour durch Europa und den Fernen Osten. Die Konzerte im Budokan in Tokio wurden für unser erstes gemeinsames Album aufgezeichnet, das im Mai unter dem Titel Just One Night herauskam. Aber ich vermisste Carl und litt unter schrecklichen Schuldgefühlen, weil er mir damals, als er mir dieses Tape schickte, den Hals gerettet und ich mich dann einfach so von ihm abgewandt hatte. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Im Mai 1980 erfuhr ich, dass er an Nierenversagen gestorben war, Folge seines Alkohol- und Drogenkonsums, und tief im Innern fühlte ich mich daran mitschuldig.
Als ich von Carls Tod erfuhr, hatten wir gerade eine Tour durch Großbritannien hinter uns, unsere erste seit achtzehn Monaten, und ich war mal wieder für längere Zeit zu Hause. Deprimiert versank ich noch tiefer im Alkohol. Ein normaler Tag sah so aus, dass ich stumpf vor dem Fernseher hockte und sehr aggressiv auf jeden reagierte, der ins Zimmer kam und irgendetwas von mir verlangte. Ich lehnte einfach alles ab. Ich wollte nur noch zu Hause bleiben und mich betrinken, mit Pattie als Sklavin und Partnerin. Ich trank enorme Mengen Special Brew, das ich heimlich mit Wodka aufpeppte, sodass es aussah, als trinke ich bloß Bier. Wenn ich genug getrunken hatte, nahm ich Koks, und da machte Pattie dann mit, denn sie bevorzugte es, Kokain ohne Alkohol zu nehmen, das war dann unsere gemeinsame Zeit.
Später am Tag gingen wir oft zusammen in den Pub, entweder ins Windmill, wo wir mit dem Wirt abhingen, oder ins Ship, wo wir andere Leute aus Ripley trafen. Patties Anwesenheit hielt mich nicht davon ab, mich an die Kellnerinnen oder irgendwelche anderen Frauen ranzumachen, die zur Tür hereinkamen. Oder ich lud Leute nach Hause ein, oft völlig Fremde. Meine Spezialität war es, Obdachlose aufzulesen oder »Männer der Straße«, wie ich sie nannte, denn die hielt ich für »echte« Menschen. Wenn ich einen auf der Straße erblickte, fuhr ich ran und nahm ihn mit. Oft waren das total Verrückte, die unmögliches Zeug faselten, aber ich nahm sie mit nach Hause, und Pattie musste ihnen was zu essen kochen. Es dauerte nicht lange, und sie fing an, den Leuten im Pub zu sagen, sie sollten mir keine Drinks mehr ausgeben, weil sie spürte, dass es mir immer schlechter ging.
Ich musste immerzu an Carl denken. Im September und Oktober war ich mit der Band auf Tour durch Skandinavien, und in dieser Zeit wurde der offizielle Untersuchungsbericht zu seinem Tod veröffentlicht. Am nächsten Tag schrieb ich in mein Tagebuch: »Ich habe (ohne es selbst zu wissen) einen Song für Carl Dean geschrieben, und als Folge davon trinke ich zu viel und suhle mich in dem Triumph, derjenige zu sein, der sein Schicksal hätte ändern können ... sieht denn niemand, dass ich mit ihm zusammen an der Front gestanden habe? Ich habe den Bericht
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