Mein Leben als Androidin
LRA-Büros, die inmitten der Lichter- und Farbenpracht links und rechts nicht zu übersehen war. Ich ging hinein und bestand darauf, Dahlia zu sprechen, ganz egal, wie beschäftigt sie war, bis man mich grollend in das von ihr mit Beschlag belegte Hinterzimmer führte, wo ich sie buchstäblich bis über die Ohren in Stapeln von Verteidigungsschriften stecken fand. (Drei Menschenanwälte und sechs Assistenten würden eine Woche gebraucht haben, um dieses Arbeitsaufkommen zu bewältigen.)
Sie nahm ihren Gedankenprozessor ab und erklärte, auch auf die Gefahr hin, unhöflich zu erscheinen, könnte sie mir höchstens eine Minute ihrer Zeit widmen. Später am Nachmittag wurde sie bei einer Anhörung in Sachen der in der Freistatt festgenommenen Aquarier erwartet, die bereits angeklagt und in Untersuchungshaft genommen worden waren, und gleichzeitig, auf einem anderen Kanal, koordinierte sie die Notaufkäufe jener Androidenaquarier, die konfisziert und markiert worden waren und sich jetzt weigerten, freiwillig zu ihren Gebietern zurückzukehren.
Das war die einzig erfolgversprechende Vorgehensweise, erläuterte sie, weil die Genehmigung zur Abschaltung des Aufrufs nur von dem rechtmäßigen Besitzer gegeben werden konnte. Waren die Verhandlungen nicht abgeschlossen und die Transaktion nicht aktenkundig vor Ablauf der Achtundvierzig-Stunden-Frist, dann hatten die betroffenen Einheiten nicht nur den Zugriff der AÜ zu fürchten, sondern mußten außerdem damit rechnen, von dem einprogrammierten Flüchtlingsalarm zum Wahnsinn getrieben zu werden.
»Wahnsinn?«
»Ja. Die Auswirkungen dieses Alarms machen in den meisten Fällen eine Kur erforderlich, um beschädigte Schaltkreise zu reparieren.«
Weil ich soviel später als die übrigen Einheiten aus der Freistatt, die gefangen und markiert worden waren, in ihrem Büro auftauchte, unterlag sie dem Irrtum, daß ich mich der Festnahme hatte entziehen können. War ich gekommen, um mich nach dem Stand der Verhandlungen in der Sache Lance London zu erkundigen? Wenn ja, dann bedauerte sie, mir mitteilen zu müssen, daß ich vorläufig nicht auf Ergebnisse hoffen konnte, denn der Löwenanteil des Notfonds war für den Ankauf der o. a. Einheiten reserviert, der sich – nebenbei bemerkt – als nicht unproblematisch erwiesen hatte, denn viele Besitzer ließen sich nur schwer ausfindig machen. Wenn man sie endlich aufgespürt hatte, gebärdeten sie sich unkooperativ und verlangten das Vielfache des ursprünglichen Kaufpreises als Entschädigung für den Verlust der Kontrolle über ihre Einheit.
»Dahlia, ich bin verzweifelt, ich …«
»Des weiteren hat sich auf die Verhandlungen hinderlich ausgewirkt«, fuhr sie fort, ohne meinen Einwand zu beachten, »daß das Studio erwägt, die Mace Pendleton-Serie fortzusetzen. Deshalb sind sie weniger geneigt, sich von L. L. zu trennen, als ich angenommen hatte. Ich werde Sie natürlich auf dem laufenden halten für den Fall, daß sich etwas Neues ergibt.« Mit diesen Worten begleitete sie mich zur Tür, und bevor wir uns verabschiedeten, erkundigte sie sich aus reiner Höflichkeit, wo ich jetzt wohnte. In verzweifelter Erbitterung rief ich aus: »Nirgends!« und nutzte die Gelegenheit, die sich während ihres Monologs nicht geboten hatte, um zu erklären, daß man auch mich aufgegriffen und mit einem Aufruf markiert hatte.
»Ich wünschte, du hättest das nicht gesagt«, meinte sie mit einem Seufzer, deutete auf einen Stuhl und kehrte hinter ihren Schreibtisch zurück. »Ich habe schlechte Neuigkeiten für dich.«
In der Annahme, ich würde mich zusammen mit den anderen in ihrem Büro einfinden, hatte sie tags zuvor – gestützt auf Informationen, die sie von Anna erhielt – meinen Besitzer ermittelt, einen gewissen Stanford Locke, und herausgefunden, daß er zur Zeit auf Ganymed eine Gefängnisstrafe verbüßte. (Apropos – Anna saß zur Zeit im Gefängnis von Armstrong ein.) »Die Tatsache allein wäre kein Hindernis für erfolgreiche Verhandlungen gewesen. Ich erklärte ihm, daß wir im Falle einer Einigung die Kaufsumme bis zu seiner Entlassung auf einem hochverzinslichen Sperrkonto deponieren würden. Doch er will auf jeden künftigen Profit verzichten, für die Genugtuung – wie er sich ausdrückte –, daß du hier und jetzt am Haken zappeln mußt.«
»Und das bedeutet?«
»Daß er beschlossen hat, den Besitztitel zu behalten, und zwar aus schierer Gemeinheit, wenn ich das hinzufügen darf. Ein außerordentlich verbitterter
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