Mein Leben als Androidin
wurden – zumeist Rosen und Lilien als üppige, herzförmige Bouquets – kam diese Notiz mit einem schlichten Sträußchen Vergißmeinnicht. Blaine, seit zwei Wochen mein Ehemann, gab sie Andro, der sie wiederum an mich weiterreichte, nachdem er einen bedeutungsvollen Blick mit seinem Gebieter gewechselt hatte.
»Glückwunsch. Wenn Dir noch an unserem Format gelegen ist, kann eine Nachricht unter dem Codewort Lamaze in der Öffentlichen Mediakonsole abgerufen werden.«
Gemäß der Aufforderung, mich über vorliegende Korrespondenz von diesem/dieser geheimnisvollen Lamaze zu informieren, spielte die Mediakonsole die folgende Briefspule ab:
von: Lamaze
Briefkastenspeicher; Esprie Distrikt
Armstrong, Mond
an: Lady Blaine Fracass
Mons Olympus Hotel, Penthouse
Mons Olympus, Mars
Datum: 3. Juni 2082, 9.17 Uhr, LZ2
Text: Verehrte Lady Fracass,
in Anbetracht unserer langen Freundschaft möchte ich auf die förmliche Anrede verzichten und gebrauche das vertrautere Du.
Bitte entschuldige die Vorsichtsmaßnahme bei der Übermittlung dieser Nachricht, doch angesichts Deines neuen Titels und der veränderten Umstände halte ich sie für gerechtfertigt. Ich habe keine Ahnung, wie Du diese Spule aufnehmen wirst, wenn Du sie überhaupt beachtest; ob Du freudig die Chance wahrnimmst, wieder Kontakt aufzunehmen, oder sie als beunruhigende Erinnerung an Deine Vergangenheit als Flüchtling beiseite legst – eine Vergangenheit, die Du weit hinter Dir gelassen zu haben scheinst.
Dahlia ist der Ansicht, daß man Dich mit einem IZ ausgestattet und vor der Ankunft in Kommerz wunschgemäß programmiert hat, und nach ihrer Meinung sollte ich nicht das Risiko eingehen, mich mit Dir in Verbindung zu setzen. Auch wenn das wahrscheinlich ein kluger Rat ist, den ich befolgen sollte, habe ich mich entschlossen, wider besseres Wissen zu handeln, denn nach meiner Einschätzung bist Du ein schlauer und einfallsreicher P9, der in der Vergangenheit ein beachtliches Talent bei der Irreführung von Gebietern bewiesen hat, und ich möchte gern annehmen, daß die Humanisten nicht weniger leicht hinters Licht zu führen sind, obwohl ich – um ganz ehrlich zu sein – der Meinung bin, daß unsere Feinde durch Deine Konvertierung und die Heirat gewonnen haben, während Du Dir selbst einen Bärendienst erweist, da die Eheschließung, ob echt oder fingiert, Deinem Mann zum großen politischen Vorteil gereicht. Du gibst eine bezaubernde First Lady ab und bist eine der Hauptattraktionen seiner Kampagne.
Was zu der Frage Anlaß gibt, wie es Dir gelungen ist, Dir die AÜ vom Leibe zu halten, nachdem Du gerettet und in das Krankenhaus von Kommerz eingeliefert wurdest. Schon bald danach muß der Alarm aktiviert worden sein. Und wie um alles in der Welt hast Du Präsident Fracass dazu gebracht, öffentlich eine geheime Trauung zu bestätigen, die angeblich in Armstrong stattgefunden haben soll, unmittelbar vor dem Abflug zum Mars? Doch die wichtigste Frage ist, wie lange glaubst Du, diesen Schwindel aufrechterhalten zu können, bevor man Dich entlarvt oder Du den Verstand verlierst? Es muß ein furchtbares Martyrium sein, mit einem solchen Unhold zusammenzuleben und zu derart ungeheuerlichen Lügen und Verunglimpfungen gezwungen zu werden. Insbesondere beziehe ich mich auf die Pressekonferenz im Krankenhaus, die live über sämtliche interplanetaren Kanäle übertragen wurde. Mußtest Du Dich dermaßen enthusiastisch über das beherzte Verhalten Deines Mannes während der Entführung äußern? Nur die Bevölkerung von Frontera konnte so blind sein zu glauben, daß jemand seiner Sorte den Mumm hat, sich gegen mit Lasern bewaffnete Terroristen durchzusetzen. Was ein Geschwätz! (Auch wenn ich nicht ganz ausschließen will, daß ich in Deiner Lage eventuell dasselbe gesagt hätte. Dann wieder bin ich mir nicht so sicher.) Doch die absurdeste Behauptung war, daß er Dich gerettet haben soll – das widerlegen die Holoreportagen von eurem ›sensationellen, freischwebenden, kosmischen Kuß‹, wie die Medien diesen eher kitschigen Vorfall genüßlich getauft haben. Ich persönlich finde nur die Stelle erträglich, wo der Kreuzer auftaucht, um euch beide an Bord zu nehmen, und der Romanze ein Ende macht. Was nicht heißen soll, daß ich Dir die Rettung und völlige Genesung mißgönne, versteh mich nicht falsch. Im Gegenteil, ich bin herzlich froh, daß Du weiterhin in diesem Realitätssystem verbleibst, nur hoffe ich, daß
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