Mein Leben als Androidin
Mannschaftsstärke zu verringern und Massenexekutionen entlaufener Einheiten einzuschränken. Nichts davon entsprach der Wahrheit, der arme Mann – halbwegs anständig für einen Gebieter – tat nichts anderes, als das Augenmerk auf Blaines korrupte politische Vasallen in dieser Abteilung zu lenken, ganz besonders den Oberkommandierenden. (Nebenbei bemerkt, ohne diesen Oberkommandierenden hätte sich die Wahrheit über mich vielleicht nicht geheimhalten lassen, denn er war es, der aus Gefälligkeit die Eliminierung der zwei Agenten arrangierte, die mich im Krankenhaus aufgespürt hatten.)
(Die Frontera-Plot-Verkehrskontrolle hat uns soeben mitgeteilt, daß es zu einer Verzögerung von einem Viertel bis zu einem halben Kapitel kommt.)
Wenn sie nicht selbst unterwegs war, um Stimmung zu machen, stand sie ihrem Gatten zu Seite und verströmte Zustimmung; Begeisterung und Vertrauen, während der Magier (so nannte man ihn seit seinen Anfangsjahren als Minister) die Menschen an seinen beglückenden Visionen von Humania teilhaben ließ. Humania war die ideale Gesellschaft, deren Anfangsstadium Frontera darstellte. Humania würde triumphieren, sobald die Unzufriedenen im eigenen Lager und die subversiven Elemente jenseits der Grenze erst zum Schweigen gebracht waren. Und er würde sie zum Schweigen bringen, das war ein Versprechen, sobald seine Getreuen ihm zu einer zweiten Amtszeit verholfen hatten. Die Gebieterpartei und Smedlys Humanisten hatten nicht die geringste Chance. Seit unseren verschwenderischen, von den Medien lückenlos ausgeschlachteten Flitterwochen bestand am Ausgang der Wahlen kein Zweifel mehr.
Der Reingewinn der zweiwöchigen Kampagne, mit der der Wahlfeldzug seinen inoffiziellen Abschluß fand, bestand in einer hundertfachen Imageverbesserung des Schurken, während die Skandale aus der Zeit vor der Concordia-Tragödie in Vergessenheit gerieten. Ich muß gestehen, wir gaben ein feines Mai/September-Pärchen ab; die First Lady in ihren langen, fließenden Gewändern und mit ihrem herzerwärmenden Lächeln, die liebevollen Augen unverwandt, auf den kahlen Schädel des Präsidenten gerichtet, und er, der Champion der humanistischen Welt, dessen Blick – wenn er nicht ähnlich liebestrunken auf ihren holden Zügen ruhte – unbeirrbar auf einen Platz in der Geschichte gerichtet war.
Ach, wenn es doch Holos davon gegeben hätte, was sich abspielte, sobald die Eheleute unter sich waren, dann hätte die Öffentlichkeit sich erschüttert abgewandt und das Wahlergebnis wäre anders ausgefallen. Kaum schlossen sich die Türen hinter ihnen, ließ dieses Muster von einem Ehemann seine liebevolle Maske fallen und schnappte: »Relaxo« oder, wenn die First Lady für den Rest des Tages nicht mehr gebraucht wurde: »Stasis!« Wann immer möglich, überließ er es Andro, sich um sie zu kümmern. Ich hatte keine Einwände, aber mein Programm war vollkommen verwirrt, denn sie rechnete wirklich damit, von ihm geliebt zu werden. »Sei still«, brummte er, wenn sie privat das Wort an ihn richtete, und »Laß das!«, wenn sie ungeschickt genug war, ihn zärtlich zu berühren. »Andro! Schaff mir das Gewächs vom Hals!«, und sie brach zusammen und weinte verständnislose Tränen. Davon abgesehen war alles eitel Sonnenschein und Entzücken – d. h. scheinheilig und verlogen –, sogar innerhalb der Palastmauern, denn der Schein mußte gewahrt bleiben, einmal vor den menschlichen Mitgliedern des Personals, zum andern vor den zu Besuch weilenden Würdenträgern, Politikern und sonstigen einflußreichen Leuten.
(Achtung, bitte. Die Plot-Leitstelle teilt uns soeben mit, daß ein halbes Dutzend Erzählstränge vor uns zu anderen Spulen umgeleitet wurden und wir Landeerlaubnis haben. Zu ihrer Sicherheit empfehlen wir, daß Sie diese Buchspule nicht entfernen, bis das Kapitel völlig zum Stillstand gekommen ist. Wir danken für Ihre Geduld und Mitarbeit.)
Die einzige inoffizielle Gelegenheit, bei der er die Anwesenheit der First Lady duldete, ja, sogar darauf bestand, waren seine Schäferstündchen mit Andro. Kaum daß sie nach den Flitterwochen in den Palast zurückgekehrt waren, hatte Blaine die Beziehung zu seinem Stabschef wiederaufgenommen. Es existierte ein Geheimgang zwischen Andros Quartier im unteren Stockwerk und der Präsidentensuite darüber, und er betrat das Schlafzimmer seines Gebieters durch eine verborgene Tür in der Rückwand eines Bücherspulenregals. Anfangs wurde der First Lady nur die Rolle der
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