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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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verlangt von mir, auf all das zu verzichten, um meiner P9-Seele willen.«
    »Dann mußt du sie neutralisieren lassen, Andro. Sowohl dein Gewissen wie auch deine Seele. Ich werde mit Blaine darüber sprechen.«
    Er sagte nichts zu dieser absurden Bemerkung, sondern schwieg eine Weile gedankenverloren. Fünf oder zehn Minuten später erwachte er aus seiner Versunkenheit, lächelte entschuldigend und meinte: »Tut mir leid, ich bekomme diese Anfälle gelegentlich. Der Streß ist einfach zu groß – dort oben und da draußen.« Er deutete auf die Welt hinter dem Fenster. »Von Zeit zu Zeit muß ich Dampf ablassen, wie man so sagt.« Sie öffnete den Mund, er winkte ihr zu schweigen und versank wieder in Grübeln, offenbar über ein Problem von besonderer Wichtigkeit. Plötzlich schien er zu seinem Entschluß gekommen zu sein und reichte ihr eine kleine Pille.
    »Nimm das.«
    »Warum? Was ist das?«
    »Nun, wenn du es wissen mußt – eine Programmerweiterung.«
    »O nein, nicht schon wieder.«
    »Es hat nichts mit dem Programm zu tun, das ich dir auf Befehl des Gebieters verabreichen soll. Es ist ein von mir selbst entwickeltes Zweigprogramm. Meine letzte Chance, fürchte ich. Die einzige Möglichkeit, deine frustrierte Zuneigung zu unserem Gebieter auf mich zu übertragen.«
    »Auf dich? Einen P9? Du machst Scherze.«
    »Nimm's. Ich befehle es.«
    Sie murmelte das übliche: »Wie Sie wünschen«, und gehorchte. Er wartete fünfzehn Minuten, während sie skeptisch lächelnd auf der Bettkante saß, dann testete er seine neue Schöpfung, indem er das Codewort aussprach, mit dem das Programm gestartet wurde: Molly. (Die schlaue Einheit hatte den Namen Annas Briefspule entnommen.)
    »O Andro«, sagte sie in plötzlichem Gefühlsüberschwang. »Liebling, du mußt mir alles von dir erzählen.« Er nahm sie in die Arme. Atemlos flüsterte sie ihm ins Ohr: »Vertrau dich mir an. Erzähl mir alles. Du brauchst keine Geheimnisse zu haben vor deiner Molly, die dich bis zum Wahnsinn liebt.« Und so wurde Molly II geboren, Geliebte und Vertraute.
     

Kapitel fünf
    Was Andro getan hatte, lief darauf hinaus, daß er die Perversion auf die Spitze trieb und hinter der Maske der First Lady eine weitere künstliche, auf ihn zugeschnittene Persönlichkeit schuf. Doch wenigstens verfuhr er sanft und rücksichtsvoll mit uns – mit uns allen dreien –, und er war halbwegs unterhaltsam; nicht wie der Oger eine Treppe höher, der sich mittlerweile nicht mehr auf den physischen Mißbrauch beschränkte, sondern die First Lady außerdem damit hänselte, eine droidenhassende Humanistin zu sein, während er sie gleichzeitig zwang, mit Andro zu kopulieren. Diese Art von rüden, erniedrigenden Gemeinheiten gab es ein Stockwerk tiefer nicht. Dort erfolgte die Ausbeutung subtiler, zartfühlender und war nicht ohne bleibenden therapeutischen Wert, denn nachdem ihm von seinem Gebieter die Muffe versilbert worden war, verhalf Andro der allabendliche Liebesakt mit Molly II zu einem Anschein von seelischem Gleichgewicht und stellte sein angeschlagenes Selbstbewußtsein wieder her. Die hauptsächliche Pflicht meines neuen Programms bestand denn auch darin, diesem Zweck zu dienen. »O mein süßer, starker, herrlicher Andro«, säuselte mein anderes, falsches Ich und wirkte mit solch honigsüßen Schmeicheleien eine Art von Zauber an seinem zerbrechlichen Selbstbewußtsein. »Das ist mein Hengst! O ja! Ja!«
    Billiges Theater! Besonders wenn er sich anschließend in die Brust warf. Oh, diese Männer! Androiden oder Menschen, sie sind alle gleich. Eitle und zartbesaitete Geschöpfe. Schade ist, daß ich mit der Zeit vielleicht aufrichtige Zuneigung zu ihm empfunden hätte, wäre ich nicht von ihm darauf programmiert worden. Ja, es hätte schön sein können mit diesem ehemaligen Einzelkämpfer – ebenso schön wie mit Junior in den Stallungen oder mit Tad auf dem Wohnzimmerteppich in Newacres. Doch es war sein kritisches Gewissen, das mir aus der Seele sprach, wenn es sich mit seiner Falsettstimme ungebeten zu Wort meldete und forderte: »Sei ein P9! Um des Chefs willen. Wehr dich! Stürze den Tyrannen! Flieh!«
    Nie wünschte ich dringender, er möchte auf sein zweites Ich hören, als bei seiner Eröffnung, er hätte Anna in Horizont aufgespürt und sei im Begriff, einen Kontrakt für sie abzuschließen. (Sie hatte nach dem abgebrochen Briefspulenwechsel dort Zuflucht gesucht.) »O nein!« rief ich innerlich. »Du darfst Anna nichts antun! Bitte, Andro.

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