Mein Leben als Androidin
Nur dieses eine Mal sei ungehorsam.« Doch weder er noch Molly II noch die First Lady hörten mich. Der IZ blockte meinen Aufschrei ab. Stellen Sie sich meine hilflose Verzweiflung vor. Zu wissen, daß das gütigste und großherzigste Menschenwesen, das ich je gekannt hatte, meinetwegen in Lebensgefahr schwebte und ich nichts tun konnte, um der Freundin zu helfen! Doch wenn es mir schon nicht gelang, zu diesem abgebrühten Strategen durchzudringen, dann konnte sein Gewissen ihn vielleicht in meinem Sinne beeinflussen. An seinem ruhelosen Umherwandern und den wechselnden Gesichtsausdrücken war zu erkennen, daß es sich bereits zu regen begann und gleich an die Oberfläche steigen würde, um ihn zu kritisieren und herunterzuputzen.
Leider wurde auch Molly II aufmerksam und versuchte eilends, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Sie drängte Andro, ihr von der Meuterei zu erzählen, denn auf diese Maßnahme hatte er sie programmiert für den Fall, daß sein Bewußtsein sich bemerkbar machte. Deshalb war ich gezwungen, mir zum x-ten Mal die ollen Kamellen anzuhören, während Molly ihm wie stets hingerissen lauschte, an den richtigen Stellen bewundernde kleine Kickser ausstieß und mit Lob und Anerkennung nicht sparte. Er schwatzte von den Zweikämpfen Mann gegen Mann an Bord der Barracuda; wie er und seine P9-Gefährten ihre menschlichen Offiziere abschlachteten und den Raumer zur Geißel der Handelsrouten machten; wie ihm mit ein paar Kameraden in einer Rettungskapsel die Flucht gelang, als sie von der Flotte angegriffen wurden; wie sie auf dem Mars landeten, wo er in Gefangenschaft geriet; wie ihn das Militärgericht von Frontera zum Tod in den Gladiatorenkämpfen verurteilte, die jede Woche zur Unterhaltung der Gebieter im Kolosseum von Kommerz abgehalten wurden, er aber seinen Gegner besiegte und zur Belohnung für seine kämpferischen Qualitäten am Leben bleiben durfte; wie man ihn heimlich für die Plantagen der marsianischen Mafia rekrutierte, wo er viele Jahre als geschätzter Deckhengst wirkte und Hunderte, vielleicht Tausende von illegalen Androiden für den interplanetaren Schwarzmarkt zeugte. Doch es kam der Tag (Seufz), an dem das Glück ihn verließ.
»Du brauchst mir den Rest nicht zu erzählen«, pflegte Molly dann zu sagen, um ihm den Seelenschmerz zu ersparen. »Ich weiß, daß deine skrupellosen Gebieter dich auf dem Androidenmarkt zum Kauf anboten, wo die ebenso skrupellosen Händler sich nicht die Mühe machten, nachzuprüfen, ob du zensiert warst. Und wie du von der örtlichen Humanistengemeinde erworben wurdest, die der damals erst im Entstehen begriffenen Bewegung Der Mars den Menschen angehörte. (Sie hörte sich an wie ein Schulmädchen beim Hersagen einer auswendig gelernten Lektion.)
»Exakt. Und man hat mich zum unermüdlichen Adjutanten programmiert.«
»In welcher Eigenschaft du dich besonders hervorgetan hast, wie in allem anderen, Liebling.« Sie streichelte seinen Penis.
»Einige Zeit später sah mich Fracass bei einer Ministerkonferenz. ›Wer ist das Kraftpaket?‹ fragte er meinen Gebieter, einen der Minister. ›Ach, der da‹, antwortete er mit vorgetäuschter Gleichgültigkeit, dabei war er ziemlich aufgeregt, weil ich das Interesse des Parteioberen erregt hatte, was wiederum ein günstiges Licht auf ihn warf. ›Der da hinten. Das ist einer meiner neuen Mitarbeiter. Eine tüchtige Einheit.‹«
»Bitte, Andro. Quäl dich nicht. Du brauchst nicht weiterzureden.«
»›Fescher Knabe‹, sagte Blaine. Und meinem verfluchten Gebieter fiel nichts Besseres ein, als mich ihm anzubieten, um ein paar Pluspunkte zu ergattern.«
»Andro, nicht.«
»›Oh, das ist sehr großzügig von Ihnen, Reverend‹, sagte Blaine zu ihm. ›Einen Burschen wie den kann ich sehr gut für meinen persönlichen Stab gebrauchen.‹ Und er meinte, was er sagte. Wortwörtlich! Das Menschenschwein! O Molly, es ist nicht leicht, ein P9 zu sein.«
»Erzähl mir von der Meuterei«, pflegte sie ihn an diesem Punkt aufzufordern, dann besserte sich seine Stimmung, und er begann mit der soundso vielten Wiederholung jenes blutigen und ruhmreichen Abenteuers. Und immer so weiter. Bei der eben erwähnten Gelegenheit bekamen wir die Geschichte dreimal zu hören, so verzweifelt war er bemüht, ein Eingreifen seines Gewissens zu verhindern. Diese gräßliche Barracuda-Meuterei! Ich hatte sie wirklich satt! Sie war ein Steckenpferd, bei dem er ständig Trost und Zuflucht suchte. Manchmal, wenn ihn die Begeisterung
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