Mein Leben als Androidin
Passanten dem Schaufenster Beachtung, und noch weniger Leute betraten das Geschäft, trotz der einladenden Fahnen und Schilder, die drastische Preissenkungen verkündeten. 40% REDUZIERT warb ein Wimpel über dem diesjährigen Hauswirtschaftsmodell. SUPERRENNER lockte ein anderer, dabei handelte es sich eindeutig um einen simplen Chauffeur. Im Gegensatz zu der Stille in den Haupträumen herrschte in der angrenzenden Abteilung für gebrauchte Modelle lebhafter Betrieb. Kunden durchforsteten die Ausstellungskabinen auf der Suche nach Qualitätsware zu Schleuderpreisen. Dort wurde ich als das SONDERANGEBOT DER WOCHE ausgezeichnet und von dem ersten Paar erworben, das stehenblieb und meine Liste von Extras studierte (und mich zwecks Prüfung der Elastizität in die Waden kniff). Daß es sich bei mir um ein Reha-Modell handelte, schien kein Hindernis darzustellen, denn – wie der Verkäufer ausdrücklich betonte – aus meinem System waren die Macken entfernt worden, was man von den neuen 2071ern nicht behaupten konnte.
Den Käufern – ein Paar Ende Zwanzig, mit einer Tochter im Säuglingsalter – gefiel meine angenehme Erscheinung, der grazile Körperbau sowie das intelligente, wandlungsfähige Systemdesign, das an jeden beliebigen Aufgabenbereich angepaßt werden konnte. Ich entsprach genau ihren Wunschvorstellungen. Kein Wunder, daß ich mich beschwingt fühlte und fest entschlossen war, meinen neuen Besitzern nichts als Freude zu machen. Während die Verträge unterzeichnet und die Zahlungsmodalitäten festgelegt wurden, gelobte ich mir im stillen, daß niemals wieder mein unbotmäßiges Eigenbewußtsein mich an der korrekten Ausführung meiner Pflichten hindern sollte, denn keinesfalls wollte ich jemals wieder den Besitzer wechseln – es war zu entwürdigend. Ich war dermaßen froh, das Geschäft wieder verlassen zu dürfen, daß es mir nichts ausmachte, mit den Daten der Transaktion gebrandmarkt zu werden: Man schob den kleinen Finger meiner linken Hand in eine Registriermaschine, die aussah wie ein altmodischer, elektrischer Bleistiftspitzer. Ich verspürte ein leichtes Kribbeln, als der in dem Finger eingeprägten Produkterkennung eine neue Eignermarkierung hinzugefügt wurde. Die darin enthaltenen Daten wurden gleichzeitig an mein Gehirn übermittelt: Verkaufsbedingungen sowie Identität und Lebensumstände meiner neuen Gebieter. Bei einer normalen Einheit wären solche passiven Informationen in den Sekundärspeichern abgelegt worden, aber ich konnte mir einen Blick auf die Daten nicht verkneifen. So erfuhr ich, daß ich es mit den Hart-Pauleys aus New Tarzana zu tun hatte. Hart arbeitete als Aeromobildesigner bei Nissan, seine Lebensgefährtin Pauley als Marketingstrategin bei Dunn & Zelendorff, ein großes Konstruktionskonsortium für Weltraumkolonien. Ihr gemeinsames Jahreseinkommen war beachtlich, es bewegte sich im unteren Bereich der siebenstelligen Zahlen, und doch reichte es offenbar nicht aus, um ihren Lebensstil zu finanzieren, denn ihre sämtlichen Besitztümer – von einer Schwerkraft-Vakuumsauna über einen Mercedes bis hin zu einer kostbaren Sammlung antiquarischer Musikvideos – waren auf Kreditbasis gekauft, ich eingeschlossen: fünfundzwanzigtausend in bar als Anzahlung, ein angenehmer Zinssatz von 17,5% und 36 Monatsraten. Wieder einmal fand ich die Transaktion geheimnisvoll und faszinierend.
Der Name ›Molly‹ war ihnen viel zu gewöhnlich und provinziell, also wurde ich während des Fluges in mein neues Heim in Francesca umgetauft. Der Weg führte über den Lake Catastrophe zu einem 7-Zimmer Bungalow am Nordufer von Hollywood Island, einer der acht großen Stadtinseln der Los-Angeles-Kette * . Kaum waren wir gelandet und hatten das Haus betreten, als mir auch schon befohlen wurde, die erste von fünf Datapillen einzunehmen, die mich innerhalb von zwanzig Minuten in ein erstklassiges Kindermädchen für ihre kleine Tochter verwandelte. Sie hieß Allison-Belle, und meine einzige Pflicht bei der neuen Herrschaft bestand darin, für ihr Wohlergehen Sorge zu tragen.
Für den Haushalt hatten sie eine Apple Daisy. Sie war ein Modell 8, also gab es zwischen uns kaum Gemeinsamkeiten, außerdem hatte sie eine enervierende Art, selbst bei den simpelsten Arbeiten einen überschäumenden Enthusiasmus an den Tag zu legen, wie eine schlechte Parodie meiner selbst in meinen früheren Lebensumständen. Ich ging ihr nach Möglichkeit aus dem Weg und zog die Gesellschaft meiner kleinen Schutzbefohlenen
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