Mein Leben Als Suchmaschine
von unkalkulierbarer Dauer und mit ungewissem Ausgang will ich mich nicht einlassen. Außerdem fürchte ich, wenn ich wirklich die ganze Wucht meiner Körperinfanterie einsetze, empfindliche Verluste unter meiner Geschirrbevölkerung. Aber vor allem: Auf diese Weise will ich ihren Respekt nicht. Die Fliegen sollen mich nicht wegen meiner militärischen Überlegenheit, sondern der Schönheit meiner Seele wegen lieben. Diese Welt ist schon verrückt genug geworden. Völlig durchgedreht. Da ist es wichtig, daß zumindest ich bei klarem Verstand bleibe und mit meinen Küchenfliegen rede, wie ein vernünftiger Mensch das eben tut. Teile den Fliegen mit, daß ich mir ein wenig Sorgen um ihr Gewicht mache und daß sie deshalb heute keinen Zucker bekommen, sondern nur einen Klacks kalorienreduzierte Kirschmarmelade. Die Fliegen pöbeln zurück, das sei doch die reine Projektion. Ich hätte kein Recht, nur wegen meiner Gewichtsunzufriedenheit sämtliche Insekten in der Wohnung zu terrorisieren. Super, jetzt werden sie auch noch pampig. Schreie sie an, sie wüßten gar nicht, wie gut sie es hätten. Keine Ahnung hätten sie, wie in anderen Wohnungen mit Insekten umgegangen würde.
Der Nachbar fragt brüllend, ob ich wieder mit meinen Küchenfliegen streite. Sage, daß die Fliegen angefangen haben. Er brüllt:
- Der Klügere gibt nach!
Die Fliegen kichern:
- Da träumste aber von!
Es klingelt. An der Tür. Ein Mann steht davor, sagt, er sucht eine Frau, ob hier vielleicht eine für ihn wohnen würde.
Sage:
- Die ist verreist. Bin selbst schon auf Fliegen.
Er nickt verständnisvoll und klingelt beim Nachbarn. Ja, das ist der Februar.
Die Erfindung der Rap-Musik
Donnerstagmittag. Habe Zahnschmerzen. Seit Montagnacht habe ich Zahnschmerzen. Rechts unten hinten. Müßte der Vier-Fünfer oder der Vier-Sechser sein. Glaub ich zumindest. In der Sendung mit der Maus wurde vor einigen Wochen erklärt, wie das funktioniert, dieses zahnärztliche Benennen der Zähne. Mit diesen Nummern und so. Dachte, das ist ja interessant, das wirste dir jetzt aber mal merken. Jetzt hab ich’s schon wieder vergessen. Man vergißt so viel. Wie heißt eigentlich die Stadt, wo ich gerade bin? Und wohin gehe ich überhaupt? Wahrscheinlich zum Bahnhof. Gehe ja meistens zum Bahnhof. Gott, hoffentlich hat diese Stadt überhaupt einen Bahnhof. Sonst bin ich ja ewig unterwegs.
Und das mit diesen Schmerzen. Rechts unten hinten. Genau die Ecke des Mundraumes, über die mein Zahnarzt vor rund einem Jahr sagte: »Da können wir den Weisheitszahn ruhig stehenlassen, der wird keine Probleme machen.« Wenn das jetzt dieser Weisheitszahn ist, dann! dann!! dann!!!… ja, was dann?
Na, wahrscheinlich werde ich den ganzen Sachverhalt mit ihm ganz höflich, zivilisiert und seriös besprechen. Wie immer. In aller Ruhe. Wie unter erwachsenen Menschen. Jawoll. Und dann werde ich ihn vielleicht verhauen. Aber eben erst, nachdem wir alles besprochen haben. Also erst, wenn er auch wirklich weiß, warum er jetzt diese Haue kriegt. Das ist schon sehr wichtig, weil, sonst lernt er ja gar nichts daraus. Jetzt zahlt sich’s eben doch noch aus, daß ich mal auf Lehramt studiert habe. Was ich immer sage, keine Ausbildung ist für die Katz. Nicht mal das Lehramtstudium.
Wenigstens fühlt sich das Gepäck irgendwie leichter an, wenn der Körper mit Schmerzen beschäftigt ist. Echt wahr. Andererseits, wo ist überhaupt mein Gepäck? Ich hatte doch’n Koffer. Aber ja. Verdammt. Schaue in die Umhängetasche. Zeitungen. Vergleiche das Datum mit der Anzeige auf dem Handy. Sie sind von heute. Verstehe. Ich muß also schon im Kiosk gewesen sein. Na, da wird dann wohl auch der Koffer jetzt stehen. Aber wo war jetzt noch gleich dieser Kiosk?
Mein Zahnarzt kommt mit diesem Verhauen ja eigentlich richtig gut weg. Ich meine, wären wir jetzt in Amerika, also wäre mein Weisheitszahn US-amerikanischer Staatsbürger, dann könnte ich ihn jetzt ja vermutlich verklagen. Also den Zahnarzt. Wegen der Schmerzen. Auf 20 Millionen US-Dollar. Minimum. Und da hätte er noch Glück. Denn wäre ich böswillig, könnte ich mir noch, von den Schmerzen geschwächt, einen heißen Kaffee in den Schoß schütten. Dann wären’s schon 40 Millionen. Aber ich bin nicht böswillig. Ich bin nicht wie diese Amerikaner. Die denken doch, mit Geld könnte man alles regeln. Schmerzen, Leid, Elend, als wenn da überall ein Preis draufstehen würde. Schlimm. Aber hier ist das noch anders. Wir sind hier
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