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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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manchmal hauten eben auch die klügsten Pläne nicht hin. Er rate mir aufzugeben. Ich frage, ob ich aussähe wie jemand, der einfach so aufgeben würde. Er sagt, ich sähe eher so aus wie jemand, der gar nicht erst anfangen würde. Mann, mann, mann, die Menschenkenntnis von Wirten ist unerreicht.
    Aber raus kriegt der mich hier nicht. Das wollen wir ja mal sehen. Bin schließlich nicht doof, nur betrunken. Muß auf Toilette. Der Wirt sagt, zur Toilette geht’s rechtsrum. Echt? Gehe rechtsrum. Als ich auf dem Bürgersteig stehe, schließt der Wirt schnell die Tür zu. Verdammt. Diese Wirte haben doch immer noch ein As im Ärmel. Beschließe, die Orte, an denen ich in den letzten Tagen mit dem Fahrrad war, noch mal abzugehen. Renne rund vier Stunden durch die Berliner Nacht. Rastlos. Wie ein urban cowboy. Cooles Gefühl.
    Wahrscheinlich wäre es sogar noch cooler, wenn mir die Füße nicht so verdammt weh tun würden. Wäre ich wirklich ein Cowboy, wäre mein Fahrrad ja ein Pferd. Das wär super. Dann bräuchte ich nur zu pfeifen, und mein Fahrrad käme angaloppiert. Wäre ich bloß so, wie ich es als Kind ja auch wollte, Cowboy geworden. Aber nein, meine Eltern wollten ja nicht, daß ich Cowboy werde. »Lieber erst die Schule zu Ende machen…«.
    Und jetzt hab ich den Salat. Nur, weil ich meinen Eltern eine Freude machen wollte, tun mir heute die Füße weh. Der Berufsverkehr beginnt. Langsam wird es auch wieder hell. Also, glaube ich zumindest. Gehe nach Hause. Zumindest im Groben. Von der Richtung her.
    Eine Frau kommt auf meinem Fahrrad vorbeigefahren … Renne der Frau hinterher. Rufe: - Halt! Sofort anhalten! Hab ich dich endlich! Anhalten!
    Es ist vermutlich schon eine ungewohnte Situation für eine Frau, wenn ihr frühmorgens plötzlich ein wildfremder Mann nach offensichtlich durchzechter Nacht schreiend nachrennt: »Hab ich dich! Hab ich dich endlich!« Auf sowas reagiert jede Frau anders. Diese fährt einfach etwas schneller. Renne auch schneller, schreie lauter. Irgendwann bleibt sie tatsächlich stehen und dreht sich um. Bleibe auch stehen. Sehe: Is doch nicht mein Fahrrad. Sage: - So. Dann kippe ich einfach zur Seite ins Gebüsch und schlafe ein.
    Kurze Zeit später ruckelt es an meiner Schulter.
    Ein kleiner, dicker Mann steht vor mir. Er sagt, ich soll aufstehen. Das Betreten der Grünanlagen sei verboten. Frage ihn, ob er vom Grünflächenamt ist. Er sagt nein. Bitte ihn, einen Polizisten oder jemanden vom Grünflächenamt zu holen. Möchte gern von jemand Offiziellem angeschrien werden. Sonst fehlt mir das Unrechtsbewußtsein, und ich schmeiß mich gleich morgen wieder ins Gebüsch. Das leuchtet ihm ein. Kurze Zeit später kommt er mit einem Polizisten wieder. Es ist mein Kontaktbereichsbeamter. Er strahlt: - Mensch, Herr Evers, schön, daß ich Sie treffe. Stellen Sie sich vor, wir haben Ihr Fahrrad wiedergefunden. Gestern Nacht, gleich hier in der Gegend, es war an einem Straßenschild angeschlossen. Rahmen und Registrierungsnummer stimmen. Wir haben es mit einem Bolzenschneider befreit und auf unser Gelände gebracht.
    Sage: - Danke schön.
    Frage ihn dann, ob ich das Gebüsch nicht für ein paar Tage von der Stadt mieten kann. Würde schon gerne noch ein bißchen liegen bleiben.
    Er nickt, und ich schlafe gleich wieder ein.

Der Praktikant

    Ich weiß nicht genau, wie er auf mich gekommen ist. In jedem Falle aber war da auf einmal dieser Brief in der Post. Ein penibel adressierter und frankierter Brief eines jungen Realschülers, der mir mitteilte, er würde gerne sein berufsnahes Praktikum bei mir machen. Ein Horst-Evers-Praktikum, sozusagen. Erst wollte ich ihm zurückschreiben, daß es sicher berufsnähere Felder als mich für sein Praktikum gäbe. Was immer ich jetzt eigentlich auch bin, aber ein berufsnahes Feld bin ich nun wirklich nicht.
    Dann allerdings fällt mein Blick auf die Papierberge, Wäschehaufen, Geschirrstapel und unsortierten Ansammlungen von Sachen an diversen Plätzen in der Wohnung. Dazu stehen noch ein paar lästige, aber überfällige Gänge zu verschiedenen Ämtern oder Behörden an. Also interessante Aufgaben für einen Praktikanten gäbe es hier schon.
    Wenn es doch sein Berufswunsch ist, später einmal ein echter Horst Evers zu werden. Also nicht so ein ungelernter Horst-Evers-Autodidakt wie ich, sondern ein richtiger ausgebildeter Fach-Horst-Evers. Der das Horst-Evers-Sein schon von der Pieke auf, in berufsnahen Praktika gelernt hat. Ist das mit Ich-AG gemeint?

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