Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
ich die Stadt. Ich war früher schon in Paris gewesen, aber jetzt hatte ich zum ersten Mal Geld in der Tasche. Ich fuhr auf den Eiffelturm, besuchte alle möglichen Museen, aß in teuren Restaurants zu Abend und trank in eleganten Bars. Überall gab es wunderschöne junge Frauen, und ich genoss den Umgang mit jeder von ihnen, nachdem ich ein Jahr lang nur unter Männern gelebt hatte.
Und eines Nachmittags begegnete ich meiner Frau. Natürlich war sie damals noch nicht meine Frau, aber sobald ich sie sah, wusste ich, dass sie es werden würde. Mit vier Freundinnen stand sie in der Hotellobby. Alle fünf waren wunderschön, aber meine Augen blieben an dieser einen hängen. Sie war leiser als die anderen, außerdem kleiner. Sie hatte langes, schwarzes Haar und eine helle Haut. Ich erkannte sie sofort: Sie war das Mädchen, das ich damals auf dem Berg in Khaldan in meiner Vision gesehen hatte, als ich Gott um eine Frau und eine Familie anflehte.
Ich ging zu den Frauen hin und begann einen Flirt. Ich erzählte, ich sei allein in Paris, und wenig später luden sie mich ein, gemeinsam mit ihnen zu Abend zu essen. Wir gingen zu sechst in ein Restaurant am Seineufer. Diese Frauen waren allesamt witzig und charmant – zumindest glaube ich das. Ich hörte nämlich nicht richtig zu. Den ganzen Abend hatte ich nur Augen für eine von ihnen, Fatima.
Sie war so schüchtern und sah mich kaum an. Einmal jedoch bot sie mir eine Krabbe von ihrem Teller an, dabei trafen sich unsere Blicke, und ich wusste, dass sie ähnliche Gefühle hegte wie ich.
Nach dem Abendessen bat ich sie, mit mir spazieren zu gehen. Stundenlang gingen wir an diesem warmen Sommerabend durch die Stadt. Sie erzählte mir von ihrem Leben als Araberin, die in Deutschland aufwuchs, und ich erzählte von mir. Nach einiger Zeit fragte sie, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiente. Ich hielt inne und fasste sie am Handgelenk, um sie ebenfalls zum Anhalten zu bewegen.
„Ich kann dir nicht alles sagen. Alles, was ich dir sagen kann, ist dies: Es gibt Menschen in dieser Welt, die sehr böse Dinge tun wollen. Ich bin einer derjenigen, die diese Menschen aufhalten wollen.“
Sie sah mich verwirrt an, stellte aber keine weiteren Fragen, und wir setzten unseren Spaziergang fort.
Ich wollte Fatima unbedingt so weit bringen, dass sie diese Nacht bei mir blieb. Ich versuchte immer wieder, sie zu küssen, aber stets schob sie mich weg. Allerdings ging sie auch nicht nach Hause. Als die Sonne bereits über der Stadt aufging, gestattete sie mir schließlich einen Kuss.
„Heirate mich“, sagte ich, als ich sie losließ.
Sie lächelte. Und sagte weder ja noch nein.
Am selben Nachmittag klopfte Fatima an meine Zimmertür, um sich zu verabschieden. Ihr Urlaub war vorbei, und sie fuhr nach Deutschland zurück. Sie gab mir einen Zettel, auf dem eine Telefonnummer notiert war, sagte, dies sei die Nummer einer Freundin, und fügte hinzu, sie würde mich nicht gut genug kennen, um mir ihre eigene Nummer zu geben. Wir küssten uns noch einmal, und dann war sie fort.
Mir blieb nicht viel Zeit, an Fatima zu denken, denn früh am nächsten Morgen kam Gilles zu mir ins Hotel. Er gab mir einen Pass und einen französischen Personalausweis. Beide waren auf den Namen Paolo Rodriguez ausgestellt. Mit einem spanischen Namen könne ich sehr viel unbeschwerter reisen als mit einem arabischen, erklärte Gilles. Ich sprach gut Spanisch – ich hatte es gelernt, als ich in Marokko Touristen herumführte.
Gilles sagte, schon am nächsten Morgen würde ich nach London abreisen. Das überraschte mich. Ich war immer davon ausgegangen, dass mir eine Tätigkeit irgendwo auf dem Kontinent zugewiesen würde. England bedeutete mir nichts. Nördlich von Frankreich stellte ich mir nur Wasser vor. Und das, was ich über London wusste, gefiel mir nicht. Ich dachte an Schmutz und Nebel und Jack the Ripper.
„Warum London?“, fragte ich.
„Dort gibt es eine Menge interessante Leute, über die wir gerne mehr wüssten.“Dann verstand ich, was er meinte: In den Zeitungen hatte ich von dem harten Durchgreifen gegen die GIA nach den Anschlägen in Paris gelesen. Viele GIA-Mitglieder waren nach England gegangen.
„Hast du Angst?“, fragte Gilles.
„Natürlich nicht“, gab ich zurück. Und dennoch ging mir die Frage durch den Kopf, auf wen ich in London wohl treffen würde. Ich wusste, dass Hakim, Amin und Yasin alle im Gefängnis saßen. Aber mit wem hatten sie vorher noch gesprochen? Und wann
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