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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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Freitagsgebet zu verrichten.
    Ganz vorne im Raum befand sich eine erhöhte Plattform, auf der Abu Hamza saß. Allerdings predigte an diesem Tag ein pakistanischer Imam vom minbar, der Kanzel, aus. Da er weder Englisch noch Arabisch sprach, konnte ich keines seiner Worte verstehen.
     
    Am nächsten Freitag traf ich Khaled erneut in der Finsbury-Park-Moschee. Dieses Mal fanden wir eine noch seltsamere Situation vor. Tatsächlich herrschte das totale Chaos. Überall schrien Leute sich gegenseitig an, im großen Saal, im Treppenhaus, in der Eingangshalle.
    Die Fronten waren klar: Araber stritten sich mit Pakistanern. Sie sprachen dabei Englisch, deswegen konnte ich alles verstehen, was gesagt wurde. Es ging um nichts anderes als um die Kontrolle über diese Moschee. Die Pakistaner wollten ihren Imam haben, und die Araber wollten Abu Hamza.
    Da ich wusste, welche Seite Khaled und Samir unterstützten, hielt ich mich im Hintergrund und beobachtete das Geschehen. Mir fielen einige Männer auf, die ich in der Woche davor nicht gesehen hatte. Sie waren noch recht jung und stammten zum größten Teil aus Nordafrika. Sie scharten sich um Abu Hamza.
    In der Moschee wurde es immer lauter. Inzwischen brüllten sich die Anwesenden mit einer solchen Intensität an, dass ich mich nicht gewundert hätte, wenn sie jetzt auch körperlich aufeinander losgegangen wären. Aber dann, als die Zeit für das Gebet gekommen war, wurde es plötzlich ganz still. Sie traten in den Streik: Dutzende Pakistaner und Inder, aber auch einige Nordafrikaner verließen ganz einfach die Moschee. Danach ging Abu Hamza zum minbar hinüber und begann zu sprechen.
     
    Ich war von dem, was ich an diesem Tag gesehen hatte, erst einmal völlig verwirrt. Aber in den folgenden Wochen erfuhr ich aus den Zeitungen, dass Abu Hamza die Finsbury-Park-Moschee übernommen und unter seine Kontrolle gebracht hatte. Das Ganze war aber noch nicht völlig ausgestanden. Die Pakistaner waren wütend und wollten ihre Moschee unbedingt zurückhaben.
    Aber Abu Hamza hatte sich jetzt dort festgesetzt, und das Leben in der Moschee änderte sich zusehends in seinem Sinne. Sie wurde nun von völlig anderen Männern aufgesucht, die viel jünger und weit weniger arriviert waren.
    Außerdem waren diese neuen Zuhörer auch viel weniger gebildet. Niemand, der eine echte islamische Bildung genossen hatte, würde Abu Hamza freiwillig zuhören, dessen war ich mir sicher. Er schien offensichtlich keinerlei Ahnung zu haben. Er wedelte nur mit seinem Haken herum und hielt aufrüttelnde Brandreden. Ständig ging es dabei um „Dschihad“. Dabei erklärte er diesen Begriff niemals, wie Abu Qatada es getan hatte, sondern hämmerte seinen Zuhörern nur ein, wie notwendig dieser Dschihad sei: Dschihad gegen Amerika. Dschihad gegen die Juden. Dschihad gegen die Ungläubigen. Dschihad gegen die Regierungen von Algerien, Ägypten und des Jemen. Dschihad, Dschihad, Dschihad.
    Abu Hamza zuzuhören, fiel mir sehr schwer, und dies nicht wegen seiner Lautstärke, sondern weil seine Predigt so dumm war. Aber ich begriff sehr wohl, dass Abu Hamza selbst nicht dumm war. Er redete seiner Zuhörerschaft nach dem Munde. Und in den folgenden Wochen erkannte ich diese Zuhörerschaft mehr und mehr wieder: Viele waren Khaleds und Samirs Beispiel gefolgt und vom Four Feathers zur Finsbury-Park-Moschee hinübergewechselt. Nein, Abu Hamza war überhaupt nicht dumm. Er wusste, dass viele jetzt auf Abu Qatada wütend waren, weil er mit der GIA gebrochen hatte. Abu Hamza hatte diesen günstigen Moment für seine Zwecke genutzt.
     
    Nach diesen Ereignissen suchte ich Finsbury Park regelmäßig auf. Wenn ich Daniel und Gilles dann von Abu Hamzas Tiraden berichtete, stellte mir Daniel immer wieder dieselbe Frage: Wiegelt Abu Hamza seine Anhänger zu Anschlägen in Großbritannien auf?
    Tatsächlich hütete Abu Hamza sich, das zu tun. Er forderte seine Zuhörer auf, fast überall auf dieser Welt zuzuschlagen, aber niemals in Großbritannien. Viele Male kam er einer solchen Aufforderung allerdings recht nahe, wenn er seine Anhänger dazu aufhetzte, jeden anzugreifen, der sich eines muslimischen Landes bemächtigte. Viele Male sagte er, dass britische Soldaten und Kolonisten, die sich auf muslimischer Erde aufhielten, Freiwild darstellten.
    Aber niemals konnte ich Daniel die konkrete Aussage liefern, auf die er hoffte. Solange ich die Predigten in Finsbury Park besuchte, überschritt Abu Hamza diese Grenze nicht.

DER GEISTIGE

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