Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Bord. Die Entführer verfügten auch über Handgranaten, und viele Passagiere wurden durch Splitter verletzt. Einer der Piloten sprang bei einem verzweifelten Fluchtversuch aus einem Fenster auf die Rollbahn hinunter. Als alles vorbei war, waren alle Entführer tot und zahlreiche Passagiere hatten Verletzungen erlitten.
Später erfuhr ich, dass die Entführer riesige Mengen Dynamit an Bord der Maschine geschmuggelt hatten. Sie hatten geplant, das Flugzeug über Paris in die Luft zu jagen – einen riesigen Feuerball zu erzeugen, den alle Welt zu sehen bekommen sollte. Und sie hätten das vielleicht auch zustande gebracht, wenn sie das Flugzeug selbst hätten fliegen können. Sie mussten aber auf die Piloten der Air France zurückgreifen, die das für sie erledigen sollten. Jahre später fand ich heraus, dass al-Qaida aus diesem Fehler gelernt hatte. Viele von ihren Mitgliedern nahmen Unterricht in Flugschulen.
Am Tag nach dem gewaltsamen Ende der Entführung aßen wir gemeinsam zu Abend. Die anderen waren hochbeglückt. Und sie beteten für das Privileg, in die Fußstapfen dieser tapferen Mudschahidin treten zu dürfen. „Bitte, Gott, gib uns die Kraft, die diese Brüder hatten. Bitte, mach uns, wie sie, zu schahid.“
Und dann erzählten sie mir etwas Außergewöhnliches. Sie erzählten, dass die Luftpiraten nicht tot seien, sondern lebten und im Himmel in den Armen von Jungfrauen lägen, die ihnen als Belohnung für ihr Märtyrertum zugesprochen worden seien. So etwas hatte ich noch nie zuvor gehört, und ich konnte es nicht glauben. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht viel über den Koran, nur das, was ich als Kind in der Schule gelernt, und das, was mir Hakim in Marokko beigebracht hatte. Aber es leuchtete mir nicht ein, dass Gott Männern, die unschuldige Menschen umgebracht hatten, eine solche Belohnung zusprechen sollte.
Einen Tag später wurde alles noch viel schlimmer. Amin und Yasin brachten ein Tonband mit, das wir uns im Wohnzimmer gemeinsam anhörten. Dieses Band war in der entführten Maschine aufgenommen worden. Es lief über zwei Stunden lang, und wir konnten alles hören. Die Stimmen der Unterhändler, die die Entführer baten, das Flugzeug zum Gate zurückzubringen. Die Weigerung der Entführer und die Drohung, weitere Passagiere umzubringen. Die Entführer, die über Treibstoff für das Flugzeug redeten. Und dann Rennen, schreiende Passagiere, Entführer, die etwas über die Mudschahidin brüllten, wie sie den Tahout -Franzosen zeigen würden, wie Mudschahidin auf algerischem Boden kämpften. „Allahu Akbar, Allahu Akbar.“ Und schließlich das Geräusch von Schusswaffen.
Es war furchtbar. Alles, was auf diesem Tonband festgehalten war, war furchtbar. Ich konnte mir nur vorstellen, wie verängstigt all diese Passagiere gewesen waren. Sie mussten gedacht haben, dass sie alle in diesem Flugzeug sterben würden.
Aber das Schrecklichste war für mich, dass wir dieses Tonband überhaupt besaßen. Niemand sonst besaß es, es wurde weder im Fernsehen noch irgendwo sonst abgespielt oder erwähnt. Ein GIA-Mitglied hatte es mit einem Scanner irgendwo auf dem Flughafen von Algier, vielleicht auch in Marseille, aufgenommen. Jemand, der mit den Entführern zusammenarbeitete. Jemand, der Amin und Yasin kannte.
Ich spürte zum ersten Mal, wie nahe ich all diesen grauenhaften Ereignissen war. Ich wusste, dass ich darüber schon früher hätte nachdenken können, es aber vorgezogen hatte, dies nicht zu tun. Ich kaufte die Waffen für Yasin, weil das eine aufregende Sache war und weil ich das Geld brauchte. Oft hatte ich darüber phantasiert, dass diese Waffen nach Bosnien oder Tschetschenien gebracht und dort in gerechten Kriegen gegen die Feinde des Islams eingesetzt würden. Natürlich wusste ich, dass der größte Teil des Materials für Algerien bestimmt war, aber anfangs beunruhigte mich das nicht. Doch ich las mehr über den Konflikt, die GIA wurde immer brutaler, und meine Empfindungen veränderten sich.
Jetzt war alles anders. Die Menschen im Flugzeug waren für mich real – arabische Einwanderer, die in Europa lebten, ihre Familien und ihr Heimatland liebten und ihren Urlaub in der Heimat verbringen wollten. Die GIA hatte versucht, sie alle umzubringen. Es war eine entsetzliche Erfahrung für mich, und als ich das Tonband hörte, wusste ich, dass ich in diese Sache verstrickt war. Ich hatte zwar nicht den Finger am Abzug gehabt, aber vielleicht hatte ich die Waffen und die Munition
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