Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Fahrräder, Autos, Lastwagen und Eselskarren. Manchmal schob ein Mann auch ganz einfach seinen Schubkarren vor sich her. Dabei schien es überhaupt keine Verkehrsordnung zu geben. Unser Fahrer entschied sich anscheinend jeden Augenblick neu, auf welcher Straßenseite er fahren wollte. Wenn er das Fahrzeug vor ihm überholen wollte, drückte er einfach auf die Hupe und trat das Gaspedal durch, ohne überhaupt nur nach vorne zu schauen. Normalerweise kam uns auf der Gegenfahrbahn dann tatsächlich ein Auto oder gar ein Lastwagen entgegen. Dann war die Frage, wer die besseren Nerven hatte. Seine schienen ausgesprochen stark zu sein. Oft drängte er seinen Opponenten vollständig von der Fahrbahn. Mir blieb bereits in der ersten Stunde fast fünfzehnmal das Herz stehen.
Allerdings war unser Fahrer kein Ausnahmefall. Die Straßen waren voller Verrückter, die ihm das Wasser reichen konnten. Alle paar Kilometer sah ich am Straßenrand Autowracks, verbogene Fahrräder und Lastwagenteile, die Opfer dieses Fahrstils geworden waren. Ich sehnte mich nach den Autobahnen in Europa.
Einige Stunden später hielten wir an einer kleinen Moschee an, die direkt neben der Straße lag, um unsere Waschungen durchzuführen und unsere salat zu verrichten. Als wir zum Lastwagen zurückgingen, versuchte ich, mit den anderen hinten aufzusteigen. Aber sie lächelten und winkten mich weg.
„Nein, du bist unser Gast“, sagte derselbe Mann wie bei der Abfahrt und deutete zum Führerhaus. Ich seufzte und setzte mich wieder neben den verrückten Fahrer.
Wir fuhren den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch bis zum nächsten Morgen und hielten nur alle paar Stunden an, um unsere Gebete zu verrichten. Als wir in Lahore ankamen, wartete dort ein anderer Lastwagen auf uns, der uns wieder aus der Stadt brachte.
Schließlich stoppten wir in einem staubigen Dorf, das nicht weit von Lahore entfernt lag. Offensichtlich hatten wir unser Ziel erreicht. Als Erstes fiel mir der unbeschreibliche Fäkaliengestank auf, der über allem hing. Ich sah, dass neben der Straße ein Kanal floss, der fast ganz aus ungeklärtem Abwasser bestand. Auf der anderen Straßenseite standen viele bunte Läden, in denen Kleidung, Nahrungsmittel und Kassetten verkauft wurden. Fast alle Menschen trugen einen weißen salwar kameez . Dies erschien mir irgendwie unlogisch, wenn man an all den Staub dachte, der uns umgab.
Das Dorf wurde von einer riesigen Moschee überragt, um die herum einige andere größere Gebäude standen. Zwischen diesen Bauten gab es einen großen offenen Platz, auf dem Hunderte von Männern in der brütenden Hitze saßen. Sie trugen alle die gleiche weiße Kleidung.
Unsere kleine Gruppe ging auf das Tor des Gebäudekomplexes zu. Am Eingang standen zwei Männer, die beide einen langen hölzernen Stab in der Hand hielten. Sie fragten jeden von uns, woher er stamme.
Plötzlich erschien ein Wachmann und führte mich vom Rest der Gruppe weg in einen großen Raum. Dieser hatte eine Klimaanlage und war deshalb viel kühler als die Eingangshalle. Ich empfand das bei dieser sengenden Hitze als ungeheure Erleichterung.
In diesem Raum hielten sich etwa dreißig Männer auf. Einige lagen auf dem Boden, einige saßen oder standen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich in den unterschiedlichsten Sprachen, die ich nicht alle erkannte. Aus ihrer Kleidung konnte ich schließen, dass viele aus Saudi-Arabien stammten. Es gab auch einige Nordafrikaner – Marokkaner und Tunesier -, die normale Straßenkleidung trugen. Keiner von ihnen trug einen weißen salwar kameez .
Ich begann zu begreifen, dass man mich in diesen Raum gebracht hatte, weil ich Ausländer war. Da die Männer, mit denen ich hergekommen war, Pakistaner waren, hatte man sie auf diesen riesigen Hof geführt, den ich vom Eingang aus gesehen hatte. Sie schmorten jetzt in der Hitze, während ich es angenehm kühl hatte. Ich erkannte in diesem Augenblick, dass dieser Ort nichts mit dem Dschihad zu tun hatte. In den Lagern waren alle gleich. Ich wusste das aus den Filmen, die ich gesehen hatte, und aus meinen Gesprächen mit Amin und Yasin. Und ich wusste genug über den Koran, um sagen zu können, dass wahre Muslime keine solchen Unterscheidungen machten. Mir war klar, dass ich hier nicht allzu lange bleiben würde.
Plötzlich riss mich eine Stimme aus meinen Überlegungen. Sie gehörte einem alten Mann, der vor mir an einem Schreibtisch saß.
„Gib mir bitte deinen Pass und deine
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