Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Brieftasche“, sagte er auf Englisch.
Ich war überrascht und leicht irritiert.
„Ich kann dir mein Geld geben“, antwortete ich ihm auf Englisch. „Aber ich möchte meinen Pass gerne behalten.“
Er lächelte mich sehr nett an.
„Du musst dir keine Sorgen machen“, sagte er. „Alle Pilger machen das so. Wir wollen damit nur die Sicherheit der Papiere und des Eigentums unserer Gäste gewährleisten. Wir werden dir alles zurückgeben, wenn du wieder gehst.“
Da ich keine andere Möglichkeit sah, händigte ich ihm meinen Pass und 800 Dollar aus, die ich aus meinem Geldgürtel geholt hatte. Den Rest meines Geldes behielt ich allerdings. Dann führte mich der Wächter zu einer Stelle in diesem Raum, wo ich meine Habseligkeiten ablegen konnte. Als ich an den anderen vorbeikam, merkte ich, dass sie alle die gleichen schläfrigen, leeren Augen hatten. Einige Männer rochen darüber hinaus nach einem schweren, süßlichen Parfüm. Jetzt war ich mir sicher: Das waren keine Mudschahidin . Es konnten nicht einmal fromme Muslime sein. Diesen ist Parfüm nämlich verboten, da es Alkohol enthält. Das waren nur reiche Männer, die hier eine seltsame Art von Urlaub verbrachten.
Der Wächter führte mich danach in einen anderen Raum, eine Art Bibliothek, in der einige ältere Männer auf Kissen auf dem Boden saßen. Alle trugen lange Bärte, die sie mit Henna gefärbt hatten. Einer schien der Verantwortliche zu sein. Er saß in der Mitte, und sein Kissen war etwas höher als das der anderen. Vor ihm lagen einige Bücher, aber kein Koran.
Der Wächter überreichte dem Mann im Zentrum etwas. Als er es vor sein Gesicht hielt, um es genau zu inspizieren, merkte ich, dass es der Zettel des Mannes im Flugzeug war. Danach schaute er mich an und bedeutete mir, dass ich mich zu ihm setzen sollte.
„Willkommen“, begrüßte er mich. „Wie lange wirst du bei uns bleiben?“
„Vierzehn Tage“, antwortete ich. In diesem Augenblick war ich froh, dass ich in Istanbul nur ein Touristenvisum bekommen hatte.
Der Mann nickte und begann dann zu sprechen. Ich gestehe, dass ich mich nicht an seine Worte erinnern kann. Innerlich war ich schon ganz weit weg. Dies war eine Art Sekte, und diese Leute verband kaum etwas mit dem echten Islam.
In den nächsten Tagen sollte ich dann mehr über diesen Ort erfahren. Ich war in Raiwind, dem Hauptquartier von Tablighi Jama’at. Jeden Tag hielten sie uns Vorlesungen, aber nicht über den Koran, sondern über die Lehren von Mohammed Ilyas, der diese Bewegung gegründet hatte.
Diese Gruppe war offensichtlich vor allem an unserer Missionierung interessiert. Sie wollte Muslime, die ihren Weg verloren hatten, zum Glauben zurückführen. Das arabische tabligh bedeutet „Botschaft“. Das war alles, was sie tun wollten – ihre Botschaft verkünden. Sie lehnten jede Art von Gewalt ab.
Als Neuling wurde eigentlich von mir erwartet, dass ich jeden Morgen am Unterricht teilnahm. Da aber so viele Menschen da waren, kümmerte sich niemand um mich, und ich wanderte die meiste Zeit herum und schaute mir alles an. Ich sprach vor allem mit den Ausländern, da viele von ihnen Arabisch oder etwas Englisch konnten. Sie waren alle sehr freundlich, aber auch auf eine fast befremdliche Weise sanft. Viele von ihnen rauchten, und ich beobachtete sogar einmal, wie einer der Saudis ein kleines Fläschchen aus der Tasche holte und an einige andere Araber kleine weiße Tabletten verteilte. Ich war entsetzt.
Manchmal redete ich mit ihnen über den Dschihad, aber wenn ich ihnen sagte, dass Dschihad für mich der Kampf der Mudschahidin gegen die Russen oder der Bosnier gegen die Serben sei, schauten sie mich ganz erschrocken an. Aber nein, Bruder, pflegten sie mir dann zu sagen. Dschihad bedeutet Liebe. Dschihad bedeutet, die Verlorenen zu Gott zurückzubringen. Dschihad bedeutet, Seelen zu retten.
Am dritten Tag verlor ich die Geduld. „Wirklich?“, sagte ich. „Das soll wirklich Dschihad sein?“Ich hob meine Stimme. „Wir sind hier nur ein paar Meilen von der indischen Grenze entfernt. Wenn die Hindus morgen herüberkommen, um uns umzubringen, was wollt ihr dann tun? Ihnen euren Koran entgegenhalten, wenn sie auf eure Brust zielen? Ist das euer Dschihad?“
Die Männer nickten nur ausdruckslos und murmelten etwas von tabligh.
Es gab nur einen Menschen in Raiwind, den ich wirklich mochte, einen Mann aus Tschetschenien, der etwa so alt war wie ich. Er hatte seinen Sohn dabei, der noch ein Teenager war.
Weitere Kostenlose Bücher