Mein Leben für dich
dem schwarzen Kleid.«
Simon zuckt mit den Schultern. »Tu, was du nicht lassen kannst.« Dann verschwindet er aus meinem Zimmer. Ich starre ihm noch eine Weile hinterher, obwohl die Tür schon längst ins Schloss gefallen ist. Seufzend lasse ich mich dann auf mein Bett fallen. Es macht keinen Sinn, weiter über Simon und sein eigenartiges Verhalten in letzter Zeit nachzugrübeln. Er will mir nicht sagen, was los ist. Das ist okay, immerhin habe ich Kai, für den ich hoffentlich mehr bin. Das Seltsame ist bloß: Manchmal habe ich das Gefühl, Simon will mir tatsächlich etwas sagen, mir näherkommen, sich mir anvertrauen. Aber dann macht er plötzlich wieder einen Rückzieher und lässt mich sitzen, ohne dass ich weiß, welche Rolle ich für ihn spiele. Das ist … echt anstrengend.
Ich schließe einen Moment die Augen, doch da klopft es plötzlich erneut an der Tür. Ich stehe auf und öffne sie einen Spaltbreit. »Simon! Hast du etwas vergessen?«, frage ich überrascht. »Oder hast du vielleicht noch einen anderen Kleiderwunsch?«
Simon lächelt zwar, aber seine Augen bleiben ernst. Er hält mir einen weißen Umschlag entgegen.
»Was ist das?«
»Du hattest recht«, sagt er. »Ich meine, mit dem, was du eben gesagt hast. Ich habe es selbst noch nie so gesehen, aber … ich schätze, wir sollten uns öfter bewusst machen, was wir alles haben, und … na ja, dankbar dafür sein. Und deshalb … hier! Bitte nimm du ihn.«
Ich nehme ihm den Umschlag ab. »Ist das ein Beitrag für heute Abend?«, frage ich erstaunt. »Soll ich ihn Kai von dir geben?«
Simon tritt nervös wie ein kleiner Junge von einem Bein aufs andere. So verlegen habe ich ihn noch nie erlebt. »Da ist … zwar nur einer drin, aber mehr geht im Moment leider nicht«, sagt er mit einem leisen, beinahe entschuldigenden Lachen. »Vielleicht kannst du ihn ja mit zu deinem Stapel packen, dann sieht er nicht ganz so verloren aus.«
Ich öffne den Mund, aber bevor ich irgendetwas sagen oder ihn fragen kann, ist mein Bodyguard auch schon wieder in seinem Apartment schräg gegenüber verschwunden.
Ich schließe die Tür und ziehe die Lasche des Kuverts auf. Seltsamerweise zittern meine Finger dabei, so, als würde ich einen Liebesbrief öffnen. Tatsächlich kommt ein Fünfhunderteuroschein zum Vorschein. Aber noch etwas: ein mit Kuli vollgekritzelter Zettel. Ich ziehe ihn mit Herzklopfen heraus und setze mich zurück auf mein Bett. Die Zeilen scheinen zwar hastig geschrieben, aber zugleich wirkt die Schrift auch selbstbewusst und wie aus einem Guss. Eine schöne, eigenwillige Schrift, finde ich.
Mia, ich weiß, dass du dich oft fragst, wer dein Bodyguard ist und was wohl in ihm vorgeht. Glaub mir, wenn ich es wüsste, würde ich es niemandem lieber mitteilen als dir. So, wie es unter Freunden sein sollte. Leider kann ich dir dieser Freund nicht sein, denn ich bestehe zurzeit nur aus Chaos und das kann ich niemandem zumuten. Aber du bist der einzige Punkt in diesem Durcheinander, an dem ich mich orientieren und festhalten kann, und allein das zu wissen, hilft mir. Mehr, als du dir wahrscheinlich vorstellen kannst!
PS: Ich weiß, du magst schöne Worte, und es tut mir leid, dass ich nur diese paar grottenschlechten Sätze finden konnte, um das auszudrücken, was in mir vorgeht. Nämlich Dankbarkeit. Ich bin dankbar dafür, dass ich dich kennenlernen durfte.
Die letzten Zeilen verschwimmen vor meinen Augen. Der Zettel gleitet aus meiner Hand und ich atme ein paarmal tief ein und aus, um den Druck auf meiner Brust loszuwerden, aber ich schaffe es nicht, die Tränen zurückzuhalten. Also bleibe ich einfach still sitzen und lasse sie über mein Gesicht laufen. Ich frage mich erst gar nicht, warum ich weine, denn insgeheim weiß ich, es gibt abertausende und zugleich gar keine Antworten darauf. Ich lasse es einfach geschehen. So lange, bis ich mich von selbst beruhige und keine Tränen mehr nachkommen.
Simon
Der Raum, in dem das Konzert stattfinden soll, ist schon um halb vier komplett voll. Demnach müssten etwa dreihundert Leute gekommen sein. Viele scheinen sich zu kennen und das laute Stimmengewirr, Händeschütteln und Lachen vermengt sich in meinem Kopf zu einem schwindelerregenden Brei. Ich fühle mich so, als wäre ich gar nicht richtig anwesend, und als mich eine Frau anrempelt und sich noch nicht einmal dafür entschuldigt, denke ich, ich wäre tatsächlich Luft.
Auf der Suche nach etwas oder jemand Bekanntem lasse ich meinen Blick schweifen
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