Mein Leben für dich
wollte ihn mir schon vorknöpfen, da hielt mich mein Bruder zurück.
»He, komm, lass den Scheißkerl, der ist doch völlig zugedröhnt.« Ben zog mich mit sich. Danach sah ich den Typen monatelang nicht wieder. Obwohl er mir bei unserer Begegnung im Theater auf Anhieb unsympathisch war und mir irgendwie bekannt vorkam, hätte ich ihn im Leben nicht in diese Ecke gesteckt.
»Scheiße noch mal! Verdammte Scheiße!«, murmle ich. Kai Thalbach ist wirklich ein Künstler, ein Verwandlungsgenie mit einer verdammt guten Maske.
Plötzlich klopft es energisch an der Tür. Ich öffne sie – vor mir steht Kai. Bevor ich etwas sagen kann, schiebt er sich an mir vorbei in mein Zimmer.
»Woher … nimmst du die Frechheit, hier aufzutauchen?«, presse ich hervor. Ich habe noch nie in meinem Leben eine derart brennende Wut in mir gefühlt und mache einen drohenden Schritt auf ihn zu.
Kai hebt beschwichtigend die Hand. »Okay, pass auf, wir müssen reden, Bodyguard. Ich habe nachgedacht. Wir sitzen beide gewissermaßen in der Scheiße, aber genauer betrachtet auch wieder nicht. So etwas nennt man wohl Ironie des Schicksals.« Er grinst überheblich, und ich muss mich sehr zusammenreißen, um nicht augenblicklich auf ihn loszugehen. Der Anblick seiner beschissenen Visage raubt mir jegliche Luft zum Atmen.
»Hör zu, ich weiß, dass du mich noch nie ausstehen konntest und jetzt noch weniger als zuvor. Wobei ich sagen muss, das beruht auf Gegenseitigkeit. Aber nichtsdestotrotz sind wir beide uns offensichtlich ähnlicher, als uns lieb ist. Und noch dazu teilen wir das Interesse an einem ganz bestimmten Mädchen. Wenn das nicht absolut verrückt ist! Bühnenreif, möchte ich sagen! Ein modernes Drama nach alten Mustern. Schade, dass wir es nicht verwenden können, aber das wäre wohl zu riskant.«
Mein Puls rast, meine Kehle brennt. »Zwischen dir und mir … besteht nicht die geringste Ähnlichkeit«, stoße ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Und was Mia betrifft: Lass in Zukunft gefälligst deine dreckigen Finger von ihr. Wenn du sie noch ein einziges Mal anrührst, dann werde ich –«
»Ach ja? Was denn?« Kai zieht die Brauen hoch. »Willst du mich bei der Polizei verpfeifen? Bei ihrem Vater? Bei Mia selbst? Dito, mein Lieber, dito. Nur ein Wort, und ich mache dasselbe. Ich lasse dich hochgehen, wenn du auch nur ein Sterbenswörtchen über das hier verlierst. Und Mia … sie wird dich verachten, wenn sie hört, wer du in Wirklichkeit bist. Sie wird dich hassen. Das willst du doch nicht, oder?«
Ich atme heftig, Kais Worte hallen dumpf in meinem Kopf wider. Giftige, unschöne Worte, die ich am liebsten überhören würde, es aber nicht kann. Weil sie wahr sind.
»Komm schon. Jetzt, wo wir so viel voneinander wissen, kannst du doch auch zugeben, dass du über beide Ohren in sie verliebt bist. Du würdest es nicht ertragen, in ihre traurigen, bitter enttäuschten Augen blicken zu müssen, wenn sie erführe, dass du hauptberuflich Drogendealer bist.« Er lacht laut und klatscht sich mit der Hand auf den Bauch. »Aber die Marktstrategie ist nicht schlecht. Es ist sicher von Vorteil, sich in der Oberschicht zu bewegen, um dort seinen Kundenkreis zu erweitern. Und welche Rolle eignet sich besser als die des sauberen Bodyguards? Göttlich, wirklich! Du bist beinahe ein ebenso großes Schauspieltalent wie ich!«
»Halt dein Maul, Kai, du machst mich krank«, sage ich bedrohlich leise.
»Oh, das wollen wir natürlich nicht. Gut, ich werde mich kurz fassen: Du weißt, wie es um die Dinge steht. Wir machen einfach weiter wie bisher, außer, dass du damit aufhörst, mich und Mia zu belauern. Lass uns unseren Spaß, okay?«
»Du Arschloch benutzt die Gutgläubigkeit und das Geld anderer, um deine Drogenschulden zu bezahlen!«, zische ich. Mein Puls rast. »Dieser Umschlag hier … der kam von Mia! Mia, von der du behauptest, dass du sie gernhast, die dir vertraut. Und der Rest stammt von irgendwelchen anderen Spendern.«
Kai nickt bedächtig. »Stimmt, gut kombiniert. Und wie ich hörte, ist sogar ein Teil von dir. Aber mach dir keine Sorgen, es bleibt dennoch genug für arme Kinderchen von der Straße übrig. Ich nehme mir einfach den Anteil, der mir zusteht, so wie es andere auch für ihre Arbeit tun. Ich betrachte es als eine Art Provision. Immerhin ist es meine kostbare Freizeit, die ich für diese Veranstaltungen opfere. Glaub mir, ich hätte wahrhaft Besseres zu tun, als mich pausenlos zum Affen zu machen.
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