Mein Leben für dich
Uhr. Gleich sieben. Ob Tanja wohl noch immer bei Simon ist?, frage ich mich. Ich wollte vor etwa zwei Stunden zu ihm und vorschlagen, trotz unseres freien Nachmittags etwas zusammen zu unternehmen – einfach so, unabhängig von seinen Verpflichtungen und ohne dieses Bodyguard/Schützling-Getue. Ich hatte spontan Lust, einfach mit ihm spazieren zu gehen, mich mit ihm zu unterhalten, irgendwo einen Kaffee zu trinken, vielleicht etwas essen zu gehen, aber … bevor ich klopfen konnte, habe ich die beiden drinnen lachen gehört. Ich stand wie angewurzelt vor der Tür und merkte, wie sehr mich dieses Lachen verletzte. Mehr noch, ich war eifersüchtig. Nachdem ich Tanja mit diesem anderen Mann gesehen hatte, war ich seltsam erleichtert und dachte, Simon und sie hätten vielleicht keinen Kontakt mehr. Aber da lag ich wohl falsch. Irgendetwas läuft da noch. Wer weiß, vielleicht sieht Tanja harmloser aus, als sie ist, und fährt zweigleisig. Egal, ihr gemeinsames Lachen machte mir jedenfalls deutlich, dass Simon mich eigentlich gar nicht braucht, auch wenn er in seinem Brief behauptet, dankbar dafür zu sein, dass wir uns kennengelernt haben. Aber mit Tanja redet er, mit ihr trifft er sich freiwillig – wozu auch immer – und nicht, weil er es muss. In ihrer Gegenwart ist er gelöst, sie schafft es, ihn zum Lachen zu bringen. Im Gegensatz zu mir, denke ich bitter. Wenn wir zusammen sind, wirkt er neuerdings immer angespannt und so, als wäre er froh, wenn er möglichst schnell wieder abtauchen könnte. Außerdem sieht er mir seit der Spendensache gar nicht mehr richtig in die Augen. Vor ein paar Wochen, als wir am Elbstrand herumgealbert haben, war das für kurze Zeit anders. Ein Stich durchfährt mich, als ich an den Augenblick zurückdenke, als er sich über mich beugte und wir uns so intensiv ansahen. Aber irgendetwas ist seither passiert. Mit unserer Beziehung zueinander, aber auch mit ihm selbst. Er hat sich verändert.
Ich bin schon versucht, mich ein zweites Mal auf den Gang zu schleichen und an Simons Tür zu lauschen, um herauszufinden, ob er jetzt womöglich alleine ist, doch dann mache ich wieder kehrt.
Es ist Quatsch, sich das anzutun, sage ich mir. Ihm nachzurennen ist reine Kraftverschwendung. Wem oder was jage ich denn schon hinterher? Was erwarte ich von Simon? Wieso lege ich so viel Wert darauf, dass er mich mag? Und vor allem: Warum um Himmels willen kümmere ich mich nicht mit viel mehr Elan um Kai und die Beziehung zu ihm?
Ich sollte an seiner Tür klopfen, er würde sie mir liebend gern öffnen, er bittet mich sogar seit Tagen darum, ihn endlich zu besuchen. Und was mache ich Feigling? Ich lehne in einer Tour ab. Ich brauche mich gar nicht wundern, wenn er mich irgendwann aufgibt, und dann … dann stehe ich plötzlich ganz allein da. Das Blöde ist nur, ich weiß ja selbst nicht so genau, wovor ich mich eigentlich drücke. Obwohl: eigentlich weiß ich es sehr wohl. Ich fürchte mich davor, Nein sagen zu müssen, wenn Kai plötzlich mehr von mir will. Und davor, wie er dann reagiert. Ich meine, ich möchte ja mit ihm schlafen. Vielleicht jedenfalls. Also, irgendwann mal. Nur eben noch nicht jetzt. Es ist mir zu früh, es fehlen noch so viele Zwischenschritte. Es gibt so wenig, was ich über ihn weiß, bis auf die Tatsachen, dass er Theater liebt und sich für Kinder einsetzt. Aber auf der anderen Seite: Wie soll sich das ändern, wenn ich pausenlos Ausreden erfinde? Ich bin vielleicht diejenige, die verhindert, dass wir einander näherkommen können. Ich blocke ständig ab.
Und deshalb fasse ich jetzt einen Entschluss. Ich werde noch heute Abend zu Kai fahren. Ich werde mich in ein paar Stunden aus dem Hintereingang schleichen und ihn überraschen. Mit einer Flasche Rotwein, Kerzen und Schokoerdbeeren. Ich werde mir ansehen, wie er lebt. Und wir werden ebenfalls zusammen lachen und Spaß haben, so wie Simon und Tanja. Wir werden ein paar glückliche Stunden zusammen verbringen. Und mit ihnen wird auch meine Angst vor dem nächsten Schritt kleiner werden, ganz automatisch. Vielleicht muss ich dann gar nicht mehr Nein sagen, wenn er mich fragt. Wer weiß?
Chris war ein Fehler, der bestimmt jedem Mädchen irgendwann einmal passiert. Ich muss die Erinnerung daran begraben und nach vorne blicken. Und ich darf nicht immer meinen Bodyguard als Ausrede benutzen. Simon wird irgendwann gehen und dann werde ich nichts weiter für ihn sein als ein siebzehnjähriges Mädchen, das er mal eine Zeit lang
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