Mein Leben für dich
austickt. Und neben ihrer gewählten Ausdrucksweise von gestern hat sie auch noch ein beachtliches Vokabular in petto, das meilenweit davon abweicht.
Immer noch geplättet von ihrem Wutausbruch, lasse ich mich auf mein Bett fallen. Was genau war jetzt eigentlich ihr Problem? Selbst wenn tatsächlich etwas zwischen mir und dem Zimmermädchen gelaufen wäre, was soll’s? Ist sie echt so prüde und will uns allen Ernstes bei ihrem Vater verpfeifen? Oder ist sie nur eifersüchtig, weil sich nicht permanent alles um sie dreht? Bevor ich noch weiter grübeln kann, was sie derart in Rage gebracht haben könnte, klingelt mein Zimmertelefon.
»Ja?« Kurz hoffe ich, dass es vielleicht Mia ist, die die weiße Fahne schwingen will, aber Fehlanzeige!
»Ich bin es … Tanja!«
»He, Tanja, tut mir leid, was eben passiert ist.« Zum Glück hat sie Mias Beleidigung nicht mehr mitgekriegt, denke ich. Mit ihrer fiesen, oberflächlichen Äußerung, von wegen »ordinäres Zimmermädchen«, hat sie mich echt erschreckt. Das war eindeutig zu viel.
»Meinst du, wir kriegen jetzt Probleme?« Tanja klingt beunruhigt. »Ich meine, immerhin ist sie die Tochter vom Chef und der ist ziemlich korrekt, was sein Personal angeht. Wenn da was durchsickert –«
»Ach was, das biege ich schon irgendwie hin, keine Sorge«, falle ich ihr ins Wort. »Zur Not erzähle ich Falkenstein ganz einfach, wie es war, und nehme die Sache auf meine Kappe. Du hast mir schließlich bloß geholfen und was soll er schon dagegen haben, wenn du mir ein paar Infos gibst, damit ich seine Tochter besser beschützen kann? Er sollte mir eher dankbar sein.«
»Ja, schon, es ist nur … Ich will nicht als Tratschtante dastehen und erst recht nicht als eines dieser Mädchen, die … du weißt schon. Ich brauche diesen Job, ich … kann nichts anderes.« Ihre Stimme ist immer dünner geworden und ich hoffe, dass sie nicht weint.
»Klar, verstehe. Ich pass auf, was ich sage. Keiner wird etwas Schlechtes von dir denken, versprochen.«
»Gut, also …« Sie reißt sich wieder zusammen. »Ich hab das wirklich gern gemacht, Simon. Dir geholfen, meine ich. Und falls du noch mal irgendetwas von mir brauchst …« Tanja ist ziemlich aufgeregt, ihre Stimme wackelt. Mist, wahrscheinlich dachte sie wirklich, ich hätte Interesse an ihr, nachdem ich sie vorhin spontan angequatscht und zu Kaffee und Erdbeerkuchen auf mein Zimmer eingeladen habe. Und ja, ich gebe zu, ich habe tatsächlich ein bisschen mit ihr geflirtet. Ich dachte, das würde mir bei meinem Plan helfen, sie zum Quatschen zu bringen.
»Nein«, sage ich und versuche, etwas distanzierter zu klingen als zuvor, um die Sache nicht noch blöder für uns beide zu machen. »Ich denke, das war’s. Es ging mir bloß um heute Abend, weil ich Mia doch auf diese Party begleiten soll. Ab morgen bin ich ja schon gar nicht mehr da, also …«
»Ja, richtig. Schade. Dann danke noch mal für den Kuchen. Es war … wirklich nett mit dir.«
»Ja, fand ich auch. Also, mach’s gut!«
»Du auch, Simon.«
Puh, erleichtert lege ich auf. Ich hasse es, wenn ich ein Mädchen enttäuschen muss, das ich eigentlich nett finde. Und Tanja ist wirklich süß und unter normalen Umständen hätte ich sie nicht einfach wieder gehen lassen, aber … In diesem Fall brauchte ich bloß jemanden, der etwas über diese angeblichen Drohbriefe an Falkenstein ausplaudert, denn Mia wirkte gestern ziemlich geschockt, als der Reporter sie darauf ansprach. Erst hatte ich mich an Renate gewandt, aber die ist nur knallrot angelaufen, hat nervös mit den Augen geklimpert und meinte, dazu wolle sie sich nicht äußern, ich müsse schon Falkenstein persönlich fragen. Tja, und nachdem ich ihn nirgends erreicht habe, ist mir das Zimmermädchen in den Sinn gekommen. Zimmermädchen kriegen jeden Tratsch mit und sind in der Regel auch schnell dazu bereit, ihn weiterzugeben. Das weiß ich aus Film und Fernsehen und auch bei Tanja hat es eins a hingehauen.
Seufzend greife ich nach einem Band mit Werken von verschiedenen Schriftstellern aus dem 19. Jahrhundert. Mir hat eigentlich nur der alte abgegriffene Einband gefallen. Nachdem Mia sich die ganze Zeit über bloß in ihrem Zimmer verkrochen hat, bin ich in die Bücherei des Hotels gegangen und habe ein bisschen in den Regalen gestöbert. Ich mag Bücher. Obwohl ich wenig lese. Eigentlich geht es mir nie um die Storys, und ich glaube, ich hätte gar nicht die Geduld, ein Buch von vorne bis hinten durchzulesen. Da
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