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Mein Leben für dich

Mein Leben für dich

Titel: Mein Leben für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loewe
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hau ich mich lieber vor die Glotze und lass mich berieseln. Aber mich faszinieren einzelne Wörter und Sätze. Manchmal schlage ich ein Buch irgendwo in der Mitte auf und den Satz, der mir als Erstes ins Auge sticht, lese ich so oft, bis ich ihn auswendig kenne. Natürlich nur, wenn er mir gefällt oder irgendwie abgefahren klingt. In manchen Büchern finde ich keinen einzigen Satz, an dem ich hängen bleibe, in manchen gleich mehrere. Meiner Meinung nach stehen in den meisten Büchern viel zu viele überflüssige Sätze. Solche, die einen nur langweilen und die rein gar nichts aussagen. Diese Bücher erinnern mich an Leute, die pausenlos Müll labern, nur um sich selbst reden zu hören. Automatisch kommt mir dabei Kai Thalbach in den Sinn.
    Zu Hause besitze ich bloß ein paar von diesen dünnen gelben Heftchen. Ein Nachbar hatte sie letztes Jahr in die Mülltonne geschmissen. Das Praktische an den Dingern ist, man kann sie schnell in der Schublade verschwinden lassen, wenn jemand kommt. Ich schätze, wenn Rick oder einer von den Jungs sehen würden, dass ich so ein Zeug in meiner Bude herumliegen habe, würden sie mich schlicht und ergreifend als Schwuchtel abstempeln, und das wäre es dann endgültig mit meiner Karriere als Gangmitglied.
    Ich schlage eine Seite des Buches auf. Ich erwische ein Gedicht von einem gewissen Christian Morgenstern.
    Es ist Nacht,
    und mein Herz kommt zu dir …
    Wieder klingelt es, aber dieses Mal ist es mein Handy. Die Nummer kenne ich nicht.
    »Hallo?«
    »Simon, hier ist Ben.«
    »He, Ben, was gibt’s?« Anscheinend ruft er vom Gefängnistelefon aus an. »Wie lange hast du denn noch vor, im Knast zu bleiben?«, witzle ich.
    »Keine Ahnung, Simon, aber genau deshalb rufe ich an.« Ben klingt verdammt ernst. Irritiert richte ich mich auf.
    »Warum, was ist los?«
    »Sie behaupten, sie hätten irgendwelche Hinweise. Anonyme Anzeigen, die darauf hindeuten, dass ich auch an anderen … Geschäften beteiligt war.«
    »Wie? Was meinen die damit? Welche Geschäfte denn?«
    »An … anderen organisierten Verbrechen. Schwerwiegenderen.«
    »Was?« Ich lache auf. »Das klingt, als wärst du ein Mitglied der Mafia. Ich meine, wie kommen die auf so einen Schwachsinn?« Klar, Ben hatte, seit er sechzehn ist, immer mal wieder mit der Polizei zu tun, was auch der Grund dafür war, dass unser Vater ihn vor die Tür gesetzt hat. Zwei- oder dreimal saß er seither im Knast, weil man ihn bei irgendwelchen Diebstählen in Tankstellen oder Elektrogroßmärkten erwischt hatte. Aber sie haben ihn nie länger als ein paar Tage dortbehalten.
    »Ben?« Mein Mund ist trocken. »Kannst du reden? Welche Verbrechen meinen die genau?«
    »Sie glauben unter anderem, dass ich zu einer Organisation gehöre, die Schutzgelder erpresst. Sie wollen weitere Namen.«
    »Schutzgelder? Ben, das ist doch totaler Scheiß, oder? Ihr vertickt Autos, nichts weiter. Und wenn jemand nicht für die Ware zahlt, dann kriegt er eins aufs Maul, aber …«
    Am anderen Ende rührt sich nichts.
    »Ben?« Ich merke, wie meine Hand mit dem Handy zu zittern beginnt.
    »Hör zu, Simon, ich hab jetzt nicht so viel Zeit. Bitte besuch mich nicht und ruf mich nicht an, das ist besser so, okay? Ich habe einen Anwalt, der wird das schon regeln und mich irgendwie aus der Scheiße rausboxen.«
    »Ein Anwalt?«
    »Mach dir keinen Kopf, ich schätze, die bluffen nur und werden aufgrund mangelnder Beweise nicht weit kommen. Aber Fakt ist, ich sitze hier noch eine Zeit lang in Untersuchungshaft. Du musst mir unbedingt helfen, Simon.«
    »Klar, ich … Was soll ich tun?« Ich merke, wie mein Puls rast, aber obwohl diese ganze Situation total irreal ist, spüre ich plötzlich auch ein kribbelndes Gefühl von Stolz. Zum ersten Mal in seinem Leben bittet mich mein Bruder um Hilfe.
    »Meine Kohle wird knapp und ich will nicht, dass Rick für mich aufkommen muss. Ich will nicht in seiner Schuld stehen, okay? Auf gar keinen Fall. Das alles ist so schon kompliziert genug.«
    »Klar … verstehe«, stammle ich, obwohl es mich wundert. Ich dachte, Rick ist nicht nur Bens Boss, sondern auch sein Kumpel.
    »Du musst irgendwie an Geld für meine Miete kommen. Rick hat zwar gemeint, ich soll die Wohnung kündigen und nach dem Knastaufenthalt erst mal bei ihm einziehen, aber darauf habe ich keinen Bock. Also, vielleicht kannst du dir auf die Schnelle einen Job auf der Baustelle besorgen oder bei Mamas Freund nachfragen, ob er dir …«
    »Ich hab die Kohle,

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