Mein Leben im Schrebergarten
Bienen bekamen dafür nichts oder höchstens billiges Zuckerwasser. Also versuchten sie ständig, sich vor den Menschen in Sicherheit zu bringen. Die Menschen verfolgten sie durch Wälder und Felder, die Bienen stachen, die Menschen rächten sich dafür, und auf beiden Seiten gab es viele Opfer. Und so entstanden die Bienengesetze, um den Honigklau zu legitimieren. Die meisten Gesetze werden ja geschrieben, um irgendwelche unzivilisierten Handlungen salonfähig zu machen. In gewisser Weise sind aber die Bienen selbst schuld, dass sie sich von den Menschen derart einspannen lassen. Bienen stehen in meinen Augen weit unten auf der Evolutionsleiter der Honigmacher, allein schon wegen ihrer Eigenart, stets in großen Schwärmen zu fliegen und sich immer den anderen unterzuordnen – diesen kollektivistischen Reflex, diese fatale Gruppendynamik kann ich nicht leiden.
Die Alternativlösung beim freien Nektarsammeln stellen für mich die Hummeln dar, sie sind die ambitioniertesten Sammler überhaupt. Die Hummel fliegt immer allein. Sie macht einen souveränen Eindruck. Und sie sieht viel besser aus als eine Biene. Ich habe guten Grund zu der Annahme, dass die Hummel bei den Honigproduzenten ganz oben auf der Evolutionsleiter steht. Eine volle Stunde beobachteten meine Tochter und ich eines Abends eine solche Hummel, die drei große Rosen in unserem Garten bestäubte. Die Hummel hielt zunächst vor der Rose einen Augenblick mitten in der Luft an und musterte sie. Da deren Blüte ihr anscheinend gefiel, landete die Hummel vorsichtig und verschwand mit lautem Summen im Inneren der Blume, die dabei deutlich an Gewicht gewann. Eine Weile war die Hummel nicht mehr zu sehen, man hörte sie nur. Die Rose schaukelte dabei wie von alleine auf und ab. Wenig später kroch die Hummel mit einem zufriedenen und zugleich besorgten Gesichtsausdruck heraus und sofort in die zweite Rosenblüte hinein. Diese schwankte noch heftiger, bis die Hummel ohne Pause die dritte Rose bestieg. Irgendwann konnte die Hummel nicht mehr summen. Ich glaube, sie konnte auch nicht mehr fliegen, so voll war sie. Sie plumpste vom Rosenstrauch einfach ins Gras und blieb dort liegen. Meine Tochter war derart beeindruckt, dass sie noch am selben Abend einen Hummelrap verfasste.
Hummelrap von Nicole:
Ich will eine Hummel sein,
Das ist so gemein,
Dass ich es nicht darf.
Denn sie ist so scharf,
Die kleine Hummel.
Spielt gern auf dem Rummel,
Sie fliegt im Regen,
Wird niemals nass,
Das finde ich krass.
Ich möchte gern eine Hummel sein,
Denn sie ist so scharf.
Das ist echt gemein,
Dass ich es nicht darf.
9 - Einige unbekannte Fakten aus dem Leben
von Günther Grass
Was tun? Diese Frage, der sich jeder anständige Zivilist stellen sollte, erübrigt sich, wenn der Zivilist einen Schrebergarten hat. Zumindest im Sommer wird er dort alle Hände voll zu tun haben. Er könnte sogar locker noch ein Dutzend weiterer Zivilisten in seinem Garten beschäftigen, zum Beispiel bei der Johannisbeerernte, und damit die Arbeitslosigkeit in Deutschland tendenziell gegen null senken. Nur müssten in diesem Fall die Gehälter und Sozialabgaben in Johannisbeeren statt in Geld erfolgen, und das könnte sich der entwickelte Kapitalismus nicht leisten, weil man Johannisbeeren zwar im Kühlschrank in einem Glas, aber nicht bei einer Bank zu einem guten Zinssatz dauerhaft anlegen kann. Sollte die Johannisbeere aber jemals als Währung akzeptiert werden, dann wären wir Millionäre. Ich konnte mir früher überhaupt nicht vorstellen, wie viel Konfitüre an so einem kleinen Busch hängen kann. Dabei hatten wir »nur« vier Johannisbeerbüsche in unserem Garten abzuernten – einen Busch mit roten Beeren und drei mit weißen, von denen wir dummerweise am Anfang dachten, sie würden auch irgendwann einmal rot. Erst nach wiederholten Hänseleien unseres Nachbarn, der mich mit den Worten »Warten bringt nix« und »Weißer werden sie nicht« blamierte, wurde mir klar, dass es sich hierbei um eine spezielle Johannisbeersorte handelte, die in Russland äußerst selten ist.
Die weiße Johannisbeere schmeckte gut und war zehnmal fruchtbarer als ihre rote Schwester. Dort, wo bei der roten fünf Beeren hingen, hatte die weiße gleich zwanzig. Mit einer solchen Riesenernte waren wir überfordert, uns war klar, dass wir es zu zweit nicht schaffen würden. Drei Tage hatten Olga und ich für einen einzigen Busch gebraucht, und danach war er noch immer nicht leer. Wir riefen
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