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Mein Leben im Schrebergarten

Mein Leben im Schrebergarten

Titel: Mein Leben im Schrebergarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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Zeiten von fetten Mäusen, die er kaltblütig fing und bis auf den Schwanz auffraß.
    Die zweite Katze der Familie war ein rothaariger Jüngling, der auf den Namen Franzose hörte, auch er ein Sohn von Wasja. Der Franzose verschmähte Mäuse. Stattdessen jagte und fraß er die Frösche aus dem Teich. Er rannte den Fröschen allerdings nicht hinterher, sondern hatte eine originellere Methode erfunden, um sie zu fangen. Dazu übernahm er selbst die Eigenschaften eines Frosches. Ob Hitze oder Regen – stundenlang konnte der Franzose reglos am Beckenrand sitzen, bis ein Frosch in seiner Nähe auftauchte. Ein blitzschneller Wink mit der Pfote, und das Abendessen war fertig. Anders als Wasja mit seinen Mäusen, aß der Franzose die Frösche niemals vollständig auf. Er ließ ausgerechnet die Füßchen übrig, mehr noch: Er brachte sie uns an den Tisch, als wollte er mit dieser großzügigen Geste den Menschen das Beste anbieten.
    Der zweite Hund und die dritte Katze benahmen sich unauffällig.
    Unser Alltag im Haus von Onkels Georgij verlief sehr geregelt. Am frühen Morgen erwartete uns ein köstliches Frühstück, das nach alter russischer Sitte bei laufendem Küchenfernseher eingenommen wurde. Der erste Kanal brachte zwischen neun und zehn Uhr früh eine äußerst blutige Fernsehserie, Agent der nationalen Sicherheit , die mit unserem halb-vegetarischen Frühstück harmonierte. Zu essen gab es vorwiegend Produkte aus dem eigenen Garten: Tomaten, Gurken, Zwiebeln und Fisch sowie Butter und Milch aus der Nachbarschaft. Nach dem Essen veranstalteten wir ein Wettschwimmen mit den Fröschen im Pool. Einige von diesen Viechern versuchten, die dreißig Meter zwischen dem Teich und dem Swimmingpool zu Fuß zu gehen, wahrscheinlich, um sich von der Herrschaft des Franzosen zu befreien. Nur zwei schafften es. Es waren die fittesten.
    Nach dem Bad holte uns Onkel Georgij ab, und wir fuhren in eine der Städte in der Umgebung: Kislowodsk, Essentucki, Schelesnowodsk oder Patigorsk – die schönste von allen. Dort erkannten wir in einem der Restaurants einen der Bergsteiger aus dem Flugzeug wieder. Er saß in voller Bergsteigerausrüstung am Tisch, zusammen mit einer dem Aussehen nach armenischen Frau, die ihm Fotos von ihrer Familie zeigte und sie laut kommentierte: »This is my father«, schrie die Frau, »and this is the new man of my mother! This is my second sister and her brother, and this is a girlfriend from father his brother …« Der Bergsteiger nickte im Takt der Erzählung und trank den heimischen Kognak der Marke  Praskoveja KB . In seinen Augen spiegelte sich die tiefe Erkenntnis der Unmöglichkeit, die Familie seiner neuen Freundin jemals vollständig kennenzulernen.
    Manchmal fuhren wir nicht in die Stadt, sondern besuchten die zahlreichen Sehenswürdigkeiten in der Region. Der Kaukasus ist der Kurort der Russen und für seine Mineralquellen berühmt. Selbst das Leitungswasser ist hier mineralisch, was das Rasieren und Händewaschen zu einem großen Vergnügen macht. Außerdem gibt es neben jeder Wasserquelle in der Regel ein Restaurant, wo man gleich nach dem Genuss des heilenden Wassers aus der Quelle auch in den Genuss des heimischen Alkohols kommen kann. Diese Restaurants tragen oft bescheuert anspruchsvolle Namen: »Kabale und Liebe« oder »Das Schloss der Zarin Tamara«. Bei der »Zarin Tamara« stand tatsächlich eine gruselige Blondine neben einem ausgestopften Tiger am Eingang. Sie lächelte den Gästen zu und herrschte ihre Grillsklaven, zwei alte Armenier, an, sich Mühe zu geben und schneller zu arbeiten.
    Um siebzehn Uhr holte uns Onkel Georgij mit dem Auto ab. Um achtzehn Uhr dreißig fand ein gemeinsames Abendessen auf dem Hof statt. Meine Aufgabe war es, das Holz zum Grillen zu besorgen. Die Tische mussten in diesem Land traditionell voller als die Kühlschränke sein, alles musste raus. Und wenn zehn Leute am Tisch saßen, wurde für zwanzig gekocht. Nach dem Essen war Kognaktrinken angesagt mit Onkel Georgij, mit dem Nachbarn von rechts – dem Bienenzüchter Juri – und dem Nachbarn von links – Ingenieur Muchin. Später Sauna, Schwimmbad, Schießstand, Gespräche über den Sinn des Lebens, Essen, Kognak, Schießstand, die nächtliche Wassermelone aus dem Fass, Dusche und Bett. Am nächsten Tag Frühstück mit dem  Agenten der nationalen Sicherheit , Schwimmbad, Stadtfahrt und so weiter – zwei Wochen lang. Ein Traumurlaub.
    Ein Pauschalbergsteiger mit seinem Rucksack und seinem Wasilij,

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