Mein Leben mit Wagner (German Edition)
des «Lohengrin» also. Als Quellen gelten: Johann Christoph Wagenseils «Buch von der Meister-Singer holdseligen Kunst» von 1697, Johann Ludwig Deinhardsteins Schauspiel «Hans Sachs» und Lortzings gleichnamige Oper, Gervinus’ «Geschichte der deutschen Nationalliteratur», Jacob Grimms «Über den altdeutschen Meistergesang» sowie E. T. A. Hoffmanns Erzählung «Meister Martin, der Küfner, und seine Gesellen». Wann hat Wagner das bloß alles gelesen? «Wie bei den Athenern ein heiteres Satyrspiel auf die Tragödie folgte, erschien mir ‹…› plötzlich das Bild eines komischen Spiels, das in Wahrheit als beziehungsvolles Satyrspiel meinem ‹Sängerkrieg auf der Wartburg› sich anschließen konnte», so heißt es 1851 in der «Mitteilung an meine Freunde». Der zweite Prosaentwurf lässt weitere zehn Jahre auf sich warten, erst 1861, nach dem Pariser «Tannhäuser»-Debakel, scheint Wagner sich seiner komischen Oper wieder zu entsinnen. Im Januar 1862 steht der Text, im Oktober 1867 schließlich die Partitur. Die «Meistersinger» sind am Ende nicht nur das Satyrspiel zum «Tristan», sondern dessen Desensibilisierung. Auf das betörendste chromatische Narkotikum der Musikgeschichte folgt das passende Riechsalz, wenn man so will.
Am 21. Juni 1868 werden die «Meistersinger von Nürnberg» in München uraufgeführt. Wagner thront neben Ludwig II. in der Königsloge des Nationaltheaters und wird stürmisch gefeiert.
Besetzung
Das Sängerensemble ist riesig und versammelt vom Seifensieder über den Zinngießer bis zum Würzkrämer und Strumpfwirker allein zwölf Handwerksmeister, unter denen der Schuster Hans Sachs (Bariton) und der Goldschmied Veit Pogner (Bass), der Vater Evas, herausragen. Eva (Sopran), gerne auch Evchen genannt, und Walther von Stolzing (Tenor), ein Ritter aus Franken, bilden das aus der Opernkonvention bestens bekannte hohe Paar, Evas Amme Magdalene (Mezzosopran) und der flinke David (Tenor), Sachsens Lehrbube, dessen niederes Pendant. Der Chor verteilt sich in großen Tableaus auf weitere Lehrbuben und Gesellen, Mädchen aus dem Volk, auf Bürger und Bürgerinnen aller Zünfte. Solche Massen wollen auf der Bühne bewegt sein.
Das «Meistersinger»-Orchester ist zwar nicht groß, kann aber sehr klobig klingen und vor allem: laut. Das ist das Problem. Zwei Flöten nebst Piccolo-Flöte schreibt Wagner vor, Oboen, Klarinetten, Fagotte jeweils doppelt besetzt, vier Hörner, drei Trompeten, drei Posaunen, Basstuba, Pauke, große Trommel, Becken, Triangel, Glockenspiel, Harfe nebst Stahl- beziehungsweise Beckmesserharfe und einen üppigen Streicherapparat. Auf der Bühne verlangt er diverse Trompeten und Hörner, eine Orgel, Trommeln und für das Finale des zweiten Aktes ein sogenanntes Nachtwächterstierhorn.
Handlung
Der Ort ist Nürnberg, Mitte des 16. Jahrhunderts.
1. Akt: In der Katharinenkirche, der Gottesdienst geht zu Ende. Walther von Stolzing, der in Nürnberg das Bürgerrecht erwerben will, hat sich am Vortag als Gast des Goldschmieds Veit Pogner in dessen Tochter Eva verliebt. Sie erklärt ihm, dass sie denjenigen heiraten müsse, der das angesagte Wettsingen am nächsten Tag gewinnt, oder aber ewig ledig bleibe. Die Kirche wird für eine Sitzung der Meistersinger hergerichtet, Stolzing stellt sich als neuer Bewerber um Evas Hand vor («Am stillen Herd») und soll nun vorsingen. Sixtus Beckmesser, dem Stadtschreiber, der sich ebenfalls Chancen ausrechnet, fällt die Aufgabe des «Merkers» zu – desjenigen, der nach den Gesetzen des Meistersangs alle Fehler ankreidet. Am Ende ist das Urteil einhellig: Stolzing, der Junker, hat «Versungen und vertan!»
2. Akt: Auf der Gasse, zwischen den Häusern Pogners und Hans Sachsens. David berichtet Magdalene, wie es Stolzing beim Probesingen ergangen ist, während Eva versucht, von Sachs mehr zu erfahren. Dieser lässt sich zum Schein von ihr umgarnen («Was duftet doch der Flieder»). Als Stolzing auftaucht, beschließen die Liebenden, sich dem Meistergericht zu widersetzen und zu fliehen. Kurzentschlossen streift Eva sich Magdalenes Kleider über – doch Sachs, der unverdrossen seinem Handwerk nachgeht, verhindert ihre Flucht. Derweil trippelt Beckmesser herbei, um Eva ein Ständchen zu bringen («Den Tag seh’ ich erscheinen»). Das Hämmern des Schusters und Beckmessers schräger Gesang wecken schließlich die Nachbarn, David glaubt, Magdalene beim Stelldichein mit Beckmesser erwischt zu haben, und die Szene artet in
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