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Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
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allen die gleiche war wie die Zeit, zu der sie aufgenommen worden waren. (Es war aber nur ein sehr bizarrer Zufall.) Eine Krankenschwester maß meine Temperatur, den Blutdruck und die Pulsfrequenz. Sie fanden es offenbar zum Totlachen, dass ich Herzklopfen hatte wie ein Kaninchen in der Falle.
    Als sie fertig waren, brachte man mich in einen dreckigen, rattenverseuchten Block mit vierundfünfzig Zellen. Death Row – der Todestrakt. Sie würden sich wundern, wie viele Briefe ich von Leuten bekommen haben, die mir sagten, sie bedauerten, dass ich in der » Death Roll « sei. Ich stelle mir dabei immer vor, was ein Alligator tut, wenn er dich geschnappt hat und dann anfängt, sich um die eigene Achse zu drehen. So reißt er dich in Stücke und ertränkt dich gleichzeitig. Die Todesrolle. Ich kam in Zelle Nummer vier und schlief sofort ein, erschöpft vom Trauma. Mein Verstand konnte sich nur retten, indem er abschaltete.
    Ich glaube, mein erstes Telefonat habe ich mit meinen Eltern geführt, damit sie wussten, dass ich noch am Leben war. Ich weiß nicht mehr, wann ich sie anrief. Das Telefonsystem war damals sehr verworren. Für einen einfachen Fünf-Minuten-Anruf musste man Formulare ausfüllen, und es dauerte ungefähr eine Woche, bis diese Formulare geprüft und dann genehmigt oder abgelehnt wurden. Heute ist es ganz anders, denn der Strafvollzug hat eine Vereinbarung mit einer Telefonfirma getroffen, die besagt, dass die Gebühren bei jedem Anruf geteilt werden, und jetzt kann jeder telefonieren, wann er will, solange er es sich leisten kann. Das Gefängnis verdient dabei eine Menge Geld: Ein Telefongespräch von einer Viertelstunde kann um die fünfundzwanzig Dollar kosten.
    Als ich von meiner Betonplatte aufstand, um meinen ersten vollen Tag im Gefängnisleben zu beginnen, sah ich, dass jemand ein Paket in meine Zelle geworfen hatte. Ich öffnete es. Es enthielt ein paar frankierte Briefumschläge, einen Stift und ein bisschen Papier, eine Dose Rasiercreme und einen Rasierer, einen Schokoladen-Cupcake, eine Trauben-Limo und einen Vorstellungsbrief. Der Brief war von einem Typen im Obergeschoss: Frankie Parker. Aber niemand nannte ihn so; alle sagten Ju San oder Si-Fu. Er war Zen-Buddhist und vor seiner Hinrichtung zum Rinzai-Priester ordiniert worden. Daher hatte er den Namen Ju San. Si-Fu ist ein chinesisches Wort für » Lehrer « . Er war ein massiger Weißer mit einem rasierten Schädel und asiatisch aussehenden Drachen-Tattoos auf dem Rücken. Das Päckchen schickte er an jeden neuen Häftling, um ihm zu helfen, auf die Beine zu kommen.
    Sein ständiger Begleiter war ein Mann, der große Ähnlichkeit mit einem Höhlenmenschen hatte. Er hieß Gene und hatte dunkles Haar, das bis zu den Lendenwirbeln reichte, und einen Vollbart, der seine Brust bedeckte. Gene war Theosoph, ein Anhänger von H.P. Blavatsky. Die beiden liehen mir Bücher über Buddhismus und Theosophie und beantworteten zahllose Fragen. Wenn man ihren Debatten im Hof zuhörte, war es, als verfolge man eine Partie Tennis. Beide entfachten ein Feuer in mir, das sich zu einem zehn Jahre langen Erziehungsprozess entwickelte. Ich arbeitete mich durch Texte wie Das tibetische Totenbuch und Isis entschleiert.
    Die beiden Jungs waren keine trockenen Gelehrten. Sie lachten gern, und nichts fanden sie komischer als das Perverse. Sie hatten vor nichts Respekt. Es kam nicht selten vor, dass man von einem der beiden Bemerkungen wie diese hörte: » Gefällt mir, wie du deinen Hintern in die Luft streckst, wenn du dich vor der kleinen Buddha-Statue verbeugst. « Gene war als Künstler bemerkenswert; ich habe ein Bild gesehen, das er gemalt hatte, eine riesengroße Dollarnote, und wenn man genau hinschaute, war in der Mitte nicht George Washington, sondern Jesus. Schaute man noch genauer hin, saß man, dass Jesus anstelle eines Ohrs einen Penis hatte. Gene konnte stundenlange Vorträge darüber halten, was dieser Symbolismus bedeutete. Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe wirklich einiges von ihm gelernt.
    Auch von dem Mann in der Nachbarzelle habe ich viel gelernt, aber dieses Wissen habe ich nie angewandt. Er war ein alter Biker und gehörte zu einer Gang namens » Outlaws « – Rivalen der Hells Angels. Er war ein furchtbarer Anblick: dreihundert Pfund schwer, auf einem Auge blind, und er konnte kaum gehen. Er war der Inbegriff des hasserfüllten, verschlagenen alten Mannes. Zum Kämpfen taugte er nicht mehr, und deshalb fand er andere Möglichkeiten,

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