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Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
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traumatisierende Erlebnis, das ich je hatte, sitzt noch in meinen Muskelfasern und meinem Hirngewebe. Es durchdringt fast jeden Aspekt meines Lebens und beeinflusst fast jede meiner Handlungen. Alle halten mich für sehr tapfer, aber ich erkenne meine Feigheit in allem, was ich tue. Manchmal quillt die Angst wie ein Schrei in meiner Kehle herauf.
    Einmal hatten zwei Männer in einem anderen Block eine Meinungsverschiedenheit. Sie waren nicht im Todestrakt, aber sie waren oft zur gleichen Zeit im Hof wie wir. Die Meinungsverschiedenheit eskalierte zu einer Rempelei, und im nächsten Augenblick zog einer von ihnen das meistberüchtigte Gefängnis-Artefakt hervor: das selbst gebastelte Messer. Der Mann, der kein Messer hatte, versuchte am Zaun hinaufzuklettern, um dem anderen zu entkommen. Wenn es ihm gelungen wäre, hätte der Wärter auf dem Wachtturm es als Fluchtversuch bezeichnet und ihn erschossen. Aber er schaffte es nicht. Stattdessen blieb er in dem Bandstacheldraht hängen, der sich oben am Zaun entlangzieht. Bandstacheldraht mit seinen kleinen, rasiermesserscharfen Klingen ist sehr viel schlimmer als einfacher Stacheldraht und kann schreckliche Verletzungen anrichten, wenn er mit menschlicher Haut zusammenkommt. Während der Mann von dem Draht in Fetzen geschnitten wurde, kam der andere heran und stach ihm mehrmals in den Arsch. Es war entsetzlich. Ich weiß nicht, wie viele Stiche das Hinterteil des Herrn davontrug, aber es waren sicher mehr, als er sich wünschen konnte. Der Kerl war bei seinen Kameraden nicht allzu beliebt, und sie zogen ihn auf und fragten, durch welches Loch er denn von jetzt an scheißen wolle. In dieser harten Welt sucht man oft vergebens nach einem bisschen Mitgefühl.
    So unangenehm diese Szene auch war, es gab noch eine schlimmere. Es gab ein Bild, das mich in mehr als einer schlaflosen Nacht an die Decke starren ließ. Die Ignoranz und die Grausamkeit von Gefängniswärtern lassen sich nicht übertrieben genug darstellen. Sie verdienen ihren Unterhalt damit, Männer zu misshandeln, die ganz unten sind. Einen Beruf für größere Feiglinge hat es nie gegeben. Nichts ist ihnen lieber als ein Mann in Ketten und Handschellen, den sie nach Lust und Laune quälen können. Wäre derselbe Mann frei von Ketten und Handschellen, würden sie um ihr Leben rennen oder wenigstens zehn, zwölf Freunde zu ihrer » moralischen Unterstützung « zusammentrommeln.
    Zwei von diesen verachtungswürdigen Männern (ich benutze das Wort » Männer « nur im allerweitesten Sinne) hatten einen Insassen des Todestrakts ununterbrochen gefoltert, mehrere Wochen lang, bevor er schließlich durchdrehte. Da wurde ihnen bald klar, dass man einen Menschen nicht unbegrenzt vorantreiben kann, zumal dann nicht, wenn er nichts mehr zu verlieren hat. Ein paar Jungs im Todestrakt spielten Basketball im Hof, und jemand warf den Ball über den Zaun. Als die Wärter das Tor aufschlossen, um den Ball zurückzuwerfen, brach der Teufel los. Kurt, der Mann, den sie gequält hatten, stach immer wieder wütend auf die beiden Wärter ein. Der, der am wenigsten abbekam, trug ungefähr sieben Stiche davon. Überall war Blut. Seine Waffe war ein Stück Draht, das er aus dem Zaun herausgerissen hatte.
    Ich kann nicht annähernd beschreiben, wie sich das auf mich auswirkte. Zwei Männer wie Föten zusammengekrümmt in Pfützen ihres eigenen Blutes liegen zu sehen, das bleibt für alle Zeit im Gedächtnis. Danach lief ich eine ganze Weile benommen herum und dachte: Was ist das für eine Welt, in der so etwas passiert? Nur eins hat auf mich die gleiche Wirkung gehabt, und das war ein Nachrichtenfilm, in dem irakische Terroristen eine amerikanische Geisel enthaupteten. Es ist schwer zu verstehen, dass so etwas heutzutage immer noch stattfinden kann.
    Was Kurt angeht, so sah er nicht viel besser aus als die beiden Wärter, als alles vorbei war. Als ich noch sehr klein war – höchstens neun oder zehn Jahre alt –, nahm mein Stiefvater mich mit auf eine Jagdexpedition, die er » Frösche spießen « nannte. Mein Stiefvater, Stiefbruder, Schwager und ich fuhren nachts hinaus in den Sumpf und trieben lautlos mit einem vier Meter langen Boot durch das Wasser. Ich war der Lichtmann, das heißt, während die anderen mit Geräten bewaffnet waren, die aussahen wie sehr lange Mistgabeln, war ich dafür zuständig, mit einem Suchscheinwerfer über die Uferböschungen zu schwenken und nach Fröschen zu suchen. Ich war nie besonders gut darin, denn

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