Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
nicht besser.
Die Hochzeit meiner Mutter war für White-Trash-Verhältnisse eine ganz nette Party. Die Trauung fand in einer alten Kirche am Highway statt. Unsere Verwandten kamen, Jacks Verwandte kamen, und jeder Beobachter hätte sagen können, wer zu wem gehörte. Jack hatte sechs Kinder, das älteste war nur ein oder zwei Jahre jünger als meine Mutter: vier Söhne und zwei Töchter von siebzehn bis vierundzwanzig, alle älter als ich. Seine Tochter Sharon und sein Sohn Barney wohnten damals bei uns. Es gab keine Musik, keine Blumen und nachher auch keine große Feier. Meine Mutter trug ein blaues Flatterkleid, und Jack war in Hemdsärmeln und hatte nicht mal eine Krawatte umgebunden. Die Zeremonie war unglaublich kurz, und nachdem Jack dem Geistlichen zehn Dollar Aufwandsentschädigung zugesteckt hatte, stiegen alle wieder in ihre Autos.
Jack war damals schon ziemlich schlimm, aber noch nicht annähernd so schlimm, wie er später werden sollte. Er zwang uns, drei Mal in der Woche in die Kirche zu gehen, und ließ uns keine Wahl. Er war so hasserfüllt wie nur wenige Leute, die ich je kennengelernt habe, und trotzdem war er dauernd in der Kirche. Heute weiß ich natürlich, dass so etwas nicht ungewöhnlich und eher die Regel als die Ausnahme ist, aber damals konnte ich es nicht verstehen. Er stand jeden Abend Wache, wenn meine Schwester und ich vor dem Bett niederknien und beten mussten. Wir hatten einen kleinen Hund, einen Chihuahua namens Pepper, und ich habe einmal gesehen, wie er den Hund mit der Faust schlug, weil er es wagte, auf das Bett zu springen, während Jack betete.
Nachdem er uns ein paar Monate lang gezwungen hatte, in diese Vampireinöde von Kirche zu gehen, gab er bekannt, dass wir jetzt dort einziehen würden. Die Wohnung, die wir dort bezogen, ist schwer zu beschreiben; es war weder ein Haus noch ein Apartment. Man hatte die hinteren Räume der Kirche zu Schlafzimmer, Bad, Küche und Wohnzimmer umgebaut, um sie zu vermieten und der Kirche weitere Einnahmen zu verschaffen. Eigentlich war es nicht so übel dort. Aber nur die Küche und das Bad hatten Fenster, und der Rest war dunkel und kühl wie eine Höhle. Wenigstens hatten wir mehr Platz als vorher, und ich kam auf eine neue Schule, die näher an dem lag, was ich als mein Zuhause betrachtete.
Jack wurde nur zweimal unverhohlen gewalttätig gegen mich, etwa in dieser Zeit. Einmal passierte es in der Küche an einem Samstagmorgen. Ich saß am Tisch und betrachtete meine Stickersammlung, die ich in letzter Zeit fanatisch vervollständigte. Sticker begehrte ich mehr als alles andere auf der Welt, und ich hatte ein nettes kleines Album davon. Meine Mutter stand am Herd, und Jack versperrte die Tür. Ich stand auf und versuchte, mich an ihm vorbeizuzwängen, weil ich fernsehen wollte. Ich bekam seine Wut zu spüren, als er mich quer durch die Küche und gegen den Kühlschrank stieß, sodass der Türgriff sich in meinen Rücken bohrte. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel hin.
Als ich anfing zu weinen, schaute meine Mutter auf, aber sie hatte keine Eile damit. » Warum hast du das getan? « , fragte sie.
» Er muss lernen, dass er die Leute hier nicht herumschubsen kann, wie es ihm passt! « , brüllte Jack.
Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete, und das machte mir nur noch mehr Angst. Es ist beängstigend, wenn man bestraft wird, ohne zu wissen, was man falsch gemacht hat.
Der zweite Fall von Gewalttätigkeit war eine » Tracht Prügel « . Ich weiß nicht mehr, worum es ging, aber ich hatte meine Mutter bekniet und gelöchert, um sie dazu zu bringen, mir doch noch etwas zu gestatten, das ich nicht tun oder haben durfte. Ich weiß nicht mehr, was es war, aber an Jacks Reaktion erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen: Er packte mich und warf mich mit solcher Wucht auf das Bett, dass ich abprallte und auf dem Boden landete. Er schleuderte mich wieder auf das Bett und fing an, wütend auf mich einzuschlagen. Am meisten erschreckte mich dabei seine Raserei; er fluchte (es war das einzige Mal, dass ich ihn jemals fluchen hörte) und lief puterrot an.
Meine Mutter unternahm nichts. Solange er ihr die Aufmerksamkeit gab, die sie so verzweifelt begehrte, kümmerten sie die Grausamkeiten nicht, die er beging. Bis dahin hatte ich ihn lediglich nicht gemocht. Aber jetzt erblühte die Saat des Hasses.
Das, habe ich gesagt, waren die einzigen unverhohlenen Gewalttätigkeiten, aber er tat noch so manches andere: Er kniff mich, bis ich grün
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