Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
bleiben, um immer wieder Holz in den Ofen zu werfen, und deshalb ging das Feuer garantiert genau dann aus, wenn das Thermometer den tiefsten Punkt erreicht hatte. Morgens war es in diesem Haus kaum wärmer als in der eisigen Luft draußen. Mich gruselte vor diesem Haus, und ich verabscheute es leidenschaftlich. Als wir beschlossen (besser gesagt: gezwungen wurden), dort einzuziehen, war es kniehoch voller Dreck. Abfall, Holz, kaputte Traktorenteile – ein Meer aus Müll, in dem Ratten herumschwammen, sehr zufrieden mit ihrem Los im Leben. Die Toilette hatte keine Wasserspülung, und unser Trinkwasser kam aus einem Brunnen, der von den Sprühflugzeugen regelmäßig mit Pestiziden eingenebelt wurde. Es war ein beschissenes Elendsloch. Es kam vor, dass die ganze Familie im selben Wasser baden musste. Mein Stiefvater schleifte einen großen Stahlbottich in die Küche, während meine Mutter auf dem Herd Wasser kochte, um das Ding zu füllen. Es gibt nichts Besseres, als in einer lauwarmen Brühe mit dem Dreck anderer Menschen zu marinieren, wenn man sich so richtig sauber fühlen will.
Die Hütte stand auf einem Erdhügel inmitten meilenweiter Felder und war eine typische Pächterhütte. Wahrscheinlich hatte jemand gedacht, wenn man sie auf diesen isolierten Hügel stellte, würde das Hochwasser bei Regen sie nicht wegschwemmen. Das schien sich zu bewahrheiten, aber dafür kam es vor, dass wir einen Fischerkahn brauchten, um auf festen Boden zu kommen (auf den Highway, der an dem Grundstück vorbeiführte), wenn der benachbarte Sumpf über die Ufer trat, denn dann wurde die einzige Straße, die in die Stadt führte, zu einem kleinen See, sodass Autos weder hinein- noch herauskommen konnten.
Wir hatten vierzehn große Hunde, die unter dem Haus wohnten. Ursprünglich hatten wir nicht so viele haben wollen, aber sie vermehrten sich einfach. Leute, die den Hunger der Armut nie gekannt haben, fragen immer, warum wir die Hunde nicht sterilisieren oder kastrieren ließen – als läge das Geld dafür einfach so herum, und wir hätten es nur aufzuheben brauchen. Nicht mal wir selbst konnten uns einen Arztbesuch leisten, und für die Hunde reichte es schon gar nicht. Meistens hatten wir Mühe, die Miete zusammenzukratzen. Der Farmer, dem das Haus gehörte, hatte aber nichts dagegen, wenn wir uns ein bisschen verspäteten, denn er wusste, irgendwann würden wir schon zahlen, selbst wenn wir dafür Aluminiumdosen sammeln und verkaufen mussten.
Am Rande des Lebens meiner Familie lauerten immer seltsame Dinge, aber in unseren Jahren in diesem Haus waren es mehr als sonst. Die Atmosphäre dort war schlecht. Das Haus fühlte sich bösartig an. Ich wurde den Eindruck nicht los, dass das gesamte Anwesen mir übelwollte. Es war ein Ort von der Sorte, wo dir der Arzt, wenn du lange genug dort lebst, eines Tages mitteilt, dein Inneres sei schwarz von Krebs, und du hättest nur noch wenige Tage zu leben. Man kam sich darin vor wie im Inneren eines Leichensacks: Es war immer dunkel, selbst an den sonnigsten Sommertagen. An den Wänden waren seltsame Zeichnungen, hinterlassen von Leuten, die vor uns dort gewohnt hatten – zum Beispiel eine Standuhr mit einem Auge anstelle des Zifferblatts. Sie sahen aus, als habe sie ein Wahnsinniger mit einem großen künstlerischen Talent gezeichnet. Die meisten übermalten wir, aber die Farbe ging uns aus, bevor wir bei der Standuhr ankamen. Noch schlimmer wurde es nachts, denn dann hatte man das Gefühl, sie starrte einem auf den Hinterkopf.
In der Nacht war es dort nie still. Ich lag im Bett und lauschte den Hunden, die seltsames Zeug unter den Bodendielen hin und her zerrten. Die Dunkelheit drinnen war schwarz wie Ölschlamm, und deshalb konnte man nicht sehen, dass sich im Zimmer etwas bewegte, aber man konnte es spüren. Es fühlte sich an, als würde sich hinter dir eine Schranktür lautlos öffnen. Erst später habe ich einen Ausdruck für diese Empfindung gefunden: Luftverdrängung. Was ich da spürte, war die Luft, die von etwas verdrängt wurde, das sich von einer Stelle zu einer anderen bewegte. Manchmal, spätnachts, hatte ich das überwältigende Gefühl, jemand stehe am Bett und beuge sich über mich, so tief, dass unsere Lippen sich berühren würden, wenn er es wollte. Der Atem würde von seinen Lippen zu meinen übergehen wie der Geschmack von etwas Unbeschreiblichem. Es war kein Gespenst oder so etwas, sondern ein Gefühl, das das Haus selbst ausstrahlte wie eine Aura. Meine Augen
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