Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
Vom Netzwerk:
bevorstehende Ende der Welt. Ich ging nur widerwillig, als es zu Ende war; lieber hätte ich den ganzen Tag da verbracht, mir die Buntglasfenster angeschaut und die Statuen in den Ecken bewundert oder auch nur das Flackern der Votivkerzen beobachtet.
    Als Jack an diesem Abend fragte, wie es gewesen sei, sagte ich, ich hätte meinen Platz gefunden. Als er fragte, woher ich das wisse, antwortete ich, ich hätte das Gefühl gehabt, zu Hause zu sein. Er sagte kein weiteres Wort dazu und setzte mich in der nächsten Woche wieder dort ab.
    Diesmal wartete ich am Ende, bis alle auf den Parkplatz hinausspaziert waren, und dann sprach ich den Priester an. Er hieß Greg Hart, ein kleiner glatzköpfiger Mann, der eine Brille mit Drahtgestell trug. Ich stellte mich vor und fragte ohne Einleitung: » Wie wird man Katholik? « Wir setzten uns zusammen und unterhielten uns, und er erklärte mir, ich müsse in den Konvertitenunterricht, denn es gebe eine Menge zu lernen. Er selbst halte jeden Montagabend einen Kurs. Als ich alle nötigen Informationen hatte, ging ich hinaus zu Jack, der in seinem Truck wartete, um mich nach Hause zu bringen.
    Ich versäumte keine einzige Unterrichtsstunde. Father Hart sorgte dafür, dass ich mit einer Frau fahren konnte, die ebenfalls an diesem Kurs teilnahm. Wir waren insgesamt nicht mal zehn Leute, und wir lernten alles von den Lehren der Kirche in bestimmten Glaubensfragen bis zum Beten des Rosenkranzes. Der Unterricht machte mir fast so viel Freude wie die Messe selbst. Bei der Firmung beschloss ich, mich nach dem heiligen Damien zu nennen.
    Als endlich der Tag kam, an dem ich das Sakrament der Taufe und der ersten heiligen Kommunion empfangen sollte, bekam ich von dem Diakon, der meine Konversion betreut hatte, zwei Geschenke. Das eine war der Rosenkranz, den seine Frau bis zu ihrem Tod benutzt hatte. Das zweite war ein Anzug, den ich zu diesem Anlass tragen sollte. Beides rührte mich sehr. Leider habe ich relativ kurz danach den Kontakt zu diesen guten und hilfreichen Menschen verloren.
    Meine Mutter und Jack setzten nur ein einziges Mal einen Fuß in die Kirche, nämlich am Abend meiner Taufe und Erstkommunion. Da war ich fünfzehn oder sechzehn. Sie saßen voller Unbehagen in der hintersten Reihe und wirkten während der ganzen Zeremonie fehl am Platz. Als es vorbei war, standen sie auf und klatschten wie alle anderen. Ich war glücklich, dass sie gekommen waren, denn ich hatte das Gefühl, etwas erreicht zu haben, und ich wollte, dass jemand es sah.
    Ich hörte erst auf, zur Messe zu gehen, als mein Leben zwei Jahre später schnurstracks in die Hölle führte. Inzwischen bin ich über den Glauben an den Mainstream der christlichen Theologie längst hinausgewachsen und empfinde nach dem, was Menschen, die sich als Christen bezeichnen, mir angetan haben, sogar ein gewisses Maß an Feindseligkeit gegen das Christentum im Allgemeinen. Aber noch immer liebe ich das Ritual und die Zeremonien der katholischen Kirche. Ein kleiner alter Priester kommt einmal im Monat her, und dann sehe ich zu, wenn er den katholischen Häftlingen im Todestrakt die Kommunion bringt. Das bloße Zusehen spendet mir Trost, und oft erinnere ich mich unversehens an die Freude, die ich dabei empfunden habe.
    Heute, am Karfreitag, habe ich mit dem Ritual des heiligen Schutzengels angefangen, wie es in dem Buch Die heilige Magie des Abramelin von Abraham beschrieben wird. Das ist ein Gebet, mit dem ich ein höheres Wesen oder eine äußere Intelligenz um Anleitung, Schutz und Vergebung meiner Schwächen und Sünden bitte. Erfahrene Gläubige tragen weiße Gewänder, zünden Kerzen und Weihrauch an und benutzen andere esoterische Requisiten. Natürlich habe ich nicht alles, was er an Material vorschlägt, aber ich glaube auch nicht, dass es notwendig ist. Ich habe die Bibelstellen gelesen, die heute in der Messe gelesen werden würden, und plötzlich überkam mich das Gefühl, ich müsse sofort anfangen. Ich erahnte ein Gefühl von Kraft und Frieden, dem ich näher sein wollte. Ich duschte und zog saubere weiße Sachen an, und dann kniete ich nieder und betete. Wenn Aleister Crowley das Ritual zu Pferde absolvieren konnte, dann würde ich es ja wohl auch in einer Gefängniszelle schaffen.
    Ich betete um Verzeihung für alle meine Vergehen, um Schutz und Obhut, um die Kraft, die ich brauchen würde, und um Kenntnis und Austausch mit dem heiligen Schutzengel. So hatte ich seit meiner Kindheit nicht mehr gebetet. Danach wollte

Weitere Kostenlose Bücher