Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
geöffnet worden. Er war vollgestopft mit Kleidern, die keiner mehr trug, und anderem Plunder, der schon vor Jahren hätte weggeworfen werden sollen. Meine Mutter und Jack wollten alles noch einmal durchsehen, um sicherzustellen, dass sie nichts Brauchbares zurückließen (na klar, konnte ja sein, dass ein Pirat sich reingeschlichen und eine Schatztruhe versteckt hatte). Jack riss das Zeug heraus und warf es auf den Boden, und meine Mutter sah sich alles an. Schließlich kletterte er hinein, um an einen Bereich zu kommen, der bis unter das Dach reichte. Dort hatte das Feuer angefangen. Alles, was er fand, reichte er meiner Mutter herunter, und sie warf es auf den Boden und rümpfte angewidert die Nase.
Plötzlich fiel mir etwas Staubiges, Schwarzes ins Auge. Bis zu diesem Moment hatte es mich nicht interessiert, was sie da taten. Ich wollte nur weg. Aber etwas an diesem staubigen schwarzen Bündel erregte meine Aufmerksamkeit, und ich hob es auf. Es war ein dreckiger, verschlissener, verrotteter, mottenzerfressener Trenchcoat. Mein Herz setzte einmal aus, als ich so viel Vollkommenheit sah. Ich musste ihn haben.
» Wem gehört der? « , fragte ich.
» Niemandem « , sagte meine Mom. » Das ist Müll. « Ich hatte ihn angezogen, bevor sie zu Ende sprechen konnte. » Er ist dreckig « , sagte sie. » Du musst ihn waschen. «
Jack war eben heruntergeklettert und warf nur einen Blick darauf. » Wahrscheinlich fällt er auseinander, wenn du versuchst, ihn zu waschen. «
So kam ich zu meinem allerersten Trenchcoat. Von da an sah man mich nie mehr ohne. Anscheinend erinnerten sich die Leute daran mehr als an irgendetwas anderes an mir. Jeder, der mich beschrieb, sagte als Erstes immer: » Er trägt einen langen schwarzen Mantel. « Bald war er das Symbol, das die Leute mit mir assoziierten. Dieser spezielle Mantel löste sich bald auf, aber ich fand immer einen neuen. Ich hatte das Gefühl, in Sicherheit zu sein, wenn ich einen dieser Mäntel trug, verhüllt und abgeschirmt. Die beste Schmusedecke von allen. Ohne meinen Mantel fühlte ich mich vor der Welt entblößt und verwundbar. Nie war ich befangen, nie litt ich unter Selbstzweifeln, wenn ich in diesen schwarzen Stoff gehüllt war. Wer durch die Welt schwebt wie ein staubiger schwarzer Geist, braucht nichts zu fürchten.
SIEBEN
Als wir auf » Lakeshore Estate « bei meiner Großmutter untergekommen waren, mussten wir zwei Rampen bauen – eine, um sie hinein- und hinauszuschieben, und eine, damit sie die kleine Stufe zwischen Küche und Wohnraum im Trailer überwinden konnte. Den Rollstuhl durch den schmalen Flur zu steuern, war praktisch unmöglich für sie; deshalb stellten wir ihr Bett in eine Ecke des Wohnzimmers. Meine Mutter und Jack bezogen ihr früheres Schlafzimmer, und ich hatte endlich ein eigenes Zimmer. Wenn ich zu Hause war, verließ ich dieses Zimmer nur selten. Es war eng und dunkel, denn die Lampe war mit einer getönten Glaskugel umgeben. Ich hatte eine schwarze Vinylcouch, auf der ich schlief, und ein kleines Metallregal für meine Sachen. Die eine Wand war vollständig mit einem dreiteiligen Spiegel bedeckt. Der Schrank hatte eine seltsame Falttür, und auf dem Boden lag ein kurzfloriger brauner Teppich. Sofort bedeckte ich sämtliche Wände mit Bildern und Postern von Skateboard-Profis und stellte die billige, gebrauchte Stereoanlage auf, die ich zu Weihnachten bekommen hatte. So nahm ich das Zimmer in Besitz.
Ich hatte oft Witze über arme Leute in Trailerparks gehört, aber ich betrachtete mich nicht mehr als arm. Ich lebte im Luxus: Ich konnte duschen, wann ich wollte, im Winter gab es Zentralheizung, im Sommer eine Klimaanlage unter dem Fenster. Die Toilette hatte eine Wasserspülung, es kamen keine Sprühflugzeuge, und wir hatten Nachbarn. Es war der Himmel.
Diese Erzählung wäre nicht vollständig ohne ein Wort über Lakeshore an sich. Für einen Trailerpark war es ziemlich groß mit seinen rund zweihundert Mobilheimen. Fast alle waren heruntergekommen und vergammelt, und sie hatten ihre besten Tage lange hinter sich. Fast jeder Trailer hatte einen kleinen Garten, umgeben von einem Maschendrahtzaun. Hinter den meisten dieser Zäune liefen Hunde herum – die einzige » Security « für unser Zuhause, die wir kannten. Ohne Hund und ohne Zaun war es nur eine Frage der Zeit, wann alles, was im Garten war, geklaut und das Benzin aus dem Tank des Autos gesaugt wurde. Für Letzteres reichte ein Stück Schlauch und ein Eimer. Die Bewohner
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