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Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
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ich nur dasitzen und mich in dem Gefühl des Friedens sonnen, das ich empfand. Ich weiß, ich werde auf der Hut sein müssen, damit ich nicht restlos in Anbetung versinke, denn dann kann ich nicht mehr objektiv sein. Aleister Crowley betont, wie wichtig es sei, weder gläubig noch ungläubig zu sein. Ich habe die Neigung, zum Eiferer zu werden.
    Das Ritual war sehr informell und spontan zelebriert, aber ich wollte es vollziehen, und sei es nur aus symbolischen Gründen, weil heute Karfreitag war. Morgen werde ich förmlicher beginnen; ich werde einen Altar aufbauen und diese Zelle von oben bis unten sauberschrubben.
    Heute Morgen um Viertel nach acht habe ich um Kunde und Austausch mit dem heiligen Schutzengel gebetet. Fast wie unter Zwang habe ich das Gebet um neun Uhr fünfundfünfzig wiederholt. Es gefällt mir, wie sauber und fokussiert ich mich danach fühle. Ich habe um Kunde und Austausch mit dem heiligen Schutzengel gebetet und um die Kraft und Intelligenz, die ich brauche, um das Ritual zu überstehen und zu vollenden. Ich schwöre, dass ich es niemals zu bösen Zwecken verwenden werde, sondern immer nur zum Ruhm Gottes und um mir und anderen zu helfen. Als Letztes bitte ich um Hilfe und Anleitung beim Befolgen des einen wahren Weges. Ich schließe jedes Mal mit den Worten » Darum bitte ich in Christi Namen, Amen « , und dann bekreuzige ich mich. Danach fühle ich mich erfrischt und verjüngt. Ich frage mich, ob es ein Unterschied wäre, wenn ich alles hätte, was an Werkzeug dazugehört: Abramelins Öl, Lichtkekse, Weihrauch und Wein.
    Ich habe gemerkt, dass bei diesem Gebet in mir alles unglaublich still wird. Es ist wie eine sehr konzentrierte Form der Meditation. Beim Zazen machen einen die ersten zwanzig Minuten, in denen man dasitzt, fast verrückt. Die Beine tun weh, die Nase juckt, man findet seinen Schwerpunkt nicht und so weiter. Aber wenn man dieses erste Stadium überwunden hat, fängt man an, sich gut zu fühlen. Als könnte man ewig so weitermachen. Allmählich fühlt sich das Gebet zum heiligen Schutzengel genauso an. Da ist eine unglaubliche Stille. Das Einzige, was sich in mir bewegt, ist das Gebet selbst, das auf und ab weht. Nach und nach spüre ich, wie es auch in die Phasen hineinsickert, in denen ich nicht bete. Ich lese ein Buch, und plötzlich ist es da und bringt mich in den Augenblick der Gegenwart. Ich kann diesen stillen kleinen Punkt inzwischen finden, ohne überhaupt zu beten. Er ist immer in mir, und es dauert nur einen Sekundenbruchteil, ihn zu finden. Er ist selbst dann da, wenn keine Hoffnung darin ist.
    Das Gebet hilft beim Konzentrieren. Die Konzentration macht mich wachsam genug, um den Riss zu bemerken, wenn er erscheint. Der Engel kommt durch diesen Riss. Der Riss ist irgendwo in mir, dunkel wie ein Loch, das die Sonne noch nie berührt hat. Der Engel ist hellblau wie Metall. Das alles habe ich innerhalb einer Zehntelsekunde gesehen. Es war nicht mehr als ein Aufflackern von endlosem Schwarz und hellem Blau.
    Dieser stille, lautlose Fokus ist heute wieder da. Kaum habe ich mich hingekniet, um anzufangen, überkam mich das Gefühl. Es ist, als wäre ich das Einzige, was existiert, in einem endlosen, lautlosen Vakuum. Es ist friedlich und machtvoll zugleich. Mein Leben wird kompakter, als werde eine gewaltige Menge Energie zu einer winzigen Sonne komprimiert. So sollte es sein. Es ist ein gutes Gefühl, ganz so, als hätte ich genau herausgefunden, was ich in diesem Moment zu tun habe. Lange Zeit hindurch habe ich meine Reichweite überdehnt, habe verzweifelt nach jedem Fädchen gegriffen, das an mir vorüberweht, immer in der Hoffnung darauf, einen Fetzen Inspiration zu finden. Jetzt ist mir klar geworden, dass die einzigen Namen, die ich brauchte, diejenigen sind, die von Anfang an im Buch meiner Bestimmung gestanden haben. Wenn ich vorwärtsschreiten will, muss ich immer wieder zurückschauen. Ich bin verjüngt, weil ich aus dem tiefsten, ältesten Brunnen getrunken habe. Ich habe den Weg zurück zu der Quelle gefunden, aus der meine Magick fließt. Ich bin zu Hause.
    Einer der Gründe, weshalb ich meinen Körper jetzt über alle seine bekannten Grenzen hinaustreibe, besteht darin, dass ich im Laufe der Jahre eine Barriere zwischen Geist und Körper errichtet habe. Ich habe den Geist erhöht, bis der Körper praktisch wertlos war. Das zeigt sich in meiner körperlichen Haltung: daran, wie meine Schultern herabhängen und mein Kopf gesenkt ist. Ich kann das nur für

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