Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
die Probe zu stellen, und bald sollte die Schule meine geringste Sorge sein. Schon am nächsten Tag saß ich wieder im Knast.
Am Dienstagmorgen stand Brian auf und machte sich wie immer für die Schule fertig. Ich war neidisch, weil er gehen durfte und ich nicht. Ich ging gern zur Schule; nur die Arbeit gefiel mir nicht. Ich fand, Schule machte mehr Spaß als ein Jahrmarkt. Alle, die ich kannte, würden wieder dort sein, und deshalb würde der Tag unglaublich langweilig werden, bis der Unterricht zu Ende wäre.
Brian ging, und ich stellte mich auf einen weiteren langen Tag vor dem Fernseher ein. Als es Mittag wurde, ließ ich mir wieder eine Pizza kommen. Ich wusste ja, dass ich von den Lebensmitteln im Haus nichts essen durfte, weil Brians Mom sonst Verdacht schöpfen würde. Ich war ziemlich sicher, dass ich von Pizza würde leben können, bis mein Geld aufgebraucht wäre, aber dann würde ich mir etwas anderes ausdenken müssen.
Zwanzig Minuten, nachdem ich meine tägliche Pizza-Bestellung aufgegeben hatte, klopfte es an der Haustür. Ich dachte, mein Essen sei gekommen, aber als ich aufmachte, stand da Jerry Driver mit einem seiner beiden Kumpane. Driver bemühte sich nach besten Kräften, amtlich auszusehen. Er trug eine verspiegelte Sonnenbrille, die quer über sein rundes Gesicht reichte. Sein Partner war ein dürrer Schwarzer, der eines Tages ins falsche Ende einer Schrotflinte blicken würde, weil er mit der Frau eines anderen Mannes im Bett gewesen war.
» Ich bin hier, um dich festzunehmen « , keuchte Driver.
Das war ein ziemlicher Schock für mich, denn ich hatte nur ein Verbrechen begangen: Ich war nicht zur Schule gegangen. Aber ich hatte es doch wenigstens versucht. » Weswegen? « , fragte ich also.
Er fing an zu stottern, als hätte meine Frage ihn unvorbereitet erwischt. Mit bebenden Fettbacken beleidigte er meine Intelligenz, indem er behauptete, mein Verbrechen bestehe darin, dass ich unter achtzehn sei und nicht in einem Haushalt mit meinen Eltern lebte. Ich hatte ernsthafte Zweifel daran, dass es sich dabei um eine Straftat handelte, aber auch jetzt wieder war mir nicht klar, dass Driver außerhalb seiner Befugnisse handelte, und ich kannte meine Rechte nicht. Sie legten mir Ketten und Handschellen an, als wäre ich ein Sträfling, und Driver brachte mich wieder ins Gefängnis von Crittenden.
Diesmal wurden Drivers Fragen noch bizarrer und empörender als vorher. Ich wurde in ein kleines Büro geführt und an einen Stuhl gekettet, und er und der Schwarze versuchten, mich dazu zu bringen, dass ich ihnen lateinisch geschriebene Texte vorlas. Er zeigte mir sonderbare Gegenstände, die ich noch nie gesehen hatte: Glaspyramiden und silberne Ringe mit merkwürdigen Formen. Ich sollte ihm erklären, was diese Dinge bedeuteten. Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, aber diese Antwort akzeptierte er nicht. Als er fertig war, ließ man mich wieder ein paar Wochen in einer Zelle sitzen.
Diesmal wusste ich, was mich erwartete, aber deshalb war diese Strapaze nicht einen Deut weniger schrecklich. Die endlosen Tage in einem Käfig, die Streitereien, die ringsherum immer wieder ausbrechen, der ungenießbare Fraß, die erniedrigenden orangegelben Overalls und die Wärter, die einen wie Abschaum behandeln – das alles zusammengenommen schafft einen unglaublichen seelischen Druck, der nervenaufreibend ist. Man fühlt sich besiegt und hoffnungslos. Noch schlimmer wurde alles dadurch, dass ich diesmal wusste, ich hatte nichts getan. Ich wurde bestraft, weil es einem besessenen, von Wahnvorstellungen getriebenen, machtgeilen Lügner so passte. Ich begriff nur nicht, wieso dieser Clown ausgerechnet von mir besessen war.
Nach dem Gefängnis wurde ich wieder ins Charter Hospital nach Maumelle gebracht. Jerry Driver fuhr mich persönlich; er hatte einen Gerichtsbeschluss zu meiner Einweisung. Er hatte mich wieder vor die gleiche Wahl gestellt: Ich konnte entweder in die Klinik gehen oder monatelang im Knast auf mein Gerichtsverfahren warten. Das entsprach dem » Deal « in einem Strafprozess – und wieder saß ich in einer Zwickmühle. In Abwesenheit meiner Eltern veranlasste Driver, dass die Schwester meines Vaters, Pat, ihr Einverständnis gab, die Papiere unterzeichnete und die Fragen beantwortete, die in der Klinik jetzt noch einmal gestellt wurden. Während der ganzen Fahrt musste ich Ketten und Handschellen tragen. Die anderen Patienten fanden meinen Anblick bei der Ankunft ziemlich verstörend.
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