Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
Aber während ich mich auf göttliches Eingreifen verließ, planten sie meinen Untergang.
Das Gerichtssystem hat nicht die Mentalität eines Mannes, der bei geistiger Gesundheit ist, auch wenn es auf seinen Schultern erbaut ist. Es ist eine wahnsinnige Schlange von mammuthaften Proportionen, rettungslos verknotet in sich selbst. Es ist bösartig und geisteskrank und beißt in jedes Stück Fleisch, das es erreichen kann. Es ist so sehr verdreht und trunken, dass es sich irgendwann selbst strangulieren wird. Niemand, der noch keinen Kontakt mit seiner schwerfälligen Umarmung hatte, kann sich seinen Irrsinn vorstellen. Die Leute, die in diesem System operieren, sind genauso gestört wie die wahnsinnige Schlange selbst, und Gerechtigkeit ist ein fremdartiges Konzept für sie. Sinn- und endlose Prozeduren akzeptieren sie wie eine Religion. Nichts kann sie mehr empören als eine sinnvolle Idee, und nichts werden sie wütender bekämpfen. Kein Wunder, dass es so viele Witze über Anwälte gibt. Es wird seit Kafkas Zeiten schlimmer und schlimmer. Verstehen kann man da nichts. Es ist eine Welt ohne Logik.
Als ich aus dem Krankenhaus wieder ins Gefängnis zurückgebracht wurde, sperrte man mich ohne Kleider in eine Gummizelle. Tagelang trug ich nichts als meine Unterhose. Von Gummizellen hatte ich mein Leben lang gehört, und ich hatte sie mir vorgestellt wie ein riesiges Kissen. Aber es ist nichts dergleichen. Alles ist mit einer dicken, schmierigen, gummiartigen Substanz überzogen und fühlt sich eher an wie ein mit Zement gefüllter Fahrradschlauch, nicht wie ein Kissen. Weil ich keine Kleider hatte, war es ziemlich kalt. Jemand, der draußen vorbeikam, schob ein paar Nummern des National Enquirer unter der Tür durch. Tagsüber las ich darin, und nachts deckte ich mich damit zu. Etwas anderes gab es nicht zu tun. Es war ein leerer Raum.
Die Tür hatte eine kleine Öffnung, und manchmal setzte sich einer der anderen Gefangenen in dem Block vor die Tür und unterhielt sich eine Weile mit mir. Mit einer Ausnahme waren in diesem Block nur junge Schwarze, die schon mindestens einmal zuvor im Gefängnis gewesen waren. Die Ausnahme war ein alter Mann in den Fünfzigern. Sein Haar war so weiß, wie seine Haut schwarz war, und alle andern misshandelten und nutzten ihn aus. Er genoss nicht den geringsten Respekt. Manchmal hockte er vor meiner Tür und heulte eine halbe Stunde lang ununterbrochen, als ob ich ihm irgendwie helfen könnte. Er saß, weil er mit seiner eigenen Tochter zwei Kinder gezeugt hatte. Er war ihr Vater und ihr Großvater gleichzeitig. So sehr er auch versuchte, sich ruhig zu verhalten und allen aus dem Weg zu gehen, es klappte doch nicht immer.
Ich verbrachte eine Woche in der Gummizelle, sprach durch die Öffnung in der Tür mit anderen Leuten und fror. Im Gegensatz zu dem, was ich aus Film und Fernsehen gelernt zu haben glaubte, wirkte keiner der anderen Häftlinge wie ein abgebrühter Verbrecher, der für fünf Cent seine eigene Mutter umbringen würde. Manche waren ziemlich ulkig. Jeden Abend nach Einschluss rief einer seinem Zellennachbarn zu: » Hey, Mann, komm mal kurz rüber, ich muss dir was zeigen. « Dann lachten die Leute, und einer sagte: » Klappe, du Idiot, ich versuche zu schlafen. « Mehrmals täglich klopfte jemand an meine Tür und rief: » Alles okay da drinnen? « Die dauernden Albereien verhinderten, dass ich allzu traurig wurde, zumindest bis das Licht gelöscht wurde. Wenn es dunkel war und alle schliefen, kam die Verzweiflung mit voller Wucht zurück. An vielen Abenden habe ich mich in den Schlaf geweint.
Als ich zwei Tage wieder im Gefängnis war, führte ein Wärter mich in ein Vernehmungszimmer. Dort wurde ich zwei Besuchern vorgestellt: Ron Lax und seiner Partnerin Glori Shettles. Ron war Privatdetektiv, wie er mir erzählte, und als er die Berichterstattung über unsere Verhaftungen gesehen hatte, war sein besonderes Interesse erwacht. Sie fingen an, mir direkte und konkrete Fragen zu stellen: Hatte ich die Kinder oder ihre Familien gekannt? Und wo war ich in der Mordnacht gewesen? Ihr Interesse an diesem Fall sei so groß, sagten sie, weil sie entschiedene Gegner der Todesstrafe seien, und sie sähen, dass ich als Angeklagter höchstwahrscheinlich zum Tode verurteilt werden würde. Sie hätten sofort mit meinen Anwälten Kontakt aufgenommen und darum gebeten, als gerichtlich ernannte Ermittler – wie sie üblicherweise zum Team der Verteidigung gehörten – meinem Fall
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