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Mein Leben Ohne Gestern

Mein Leben Ohne Gestern

Titel: Mein Leben Ohne Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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schlafen, aber das würde alles nichts ändern. Sie hatte Alzheimer. Sie wollte John ansehen, aber sie brachte es nicht über sich, den Kopf zu ihm zu wenden.
    »Wie wir bereits besprochen haben, ist diese Mutation autosomal dominant; sie steht in einem Zusammenhang mit einer gewissen Entwicklung der Alzheimer-Krankheit. Das heißt, dieses Ergebnis entspricht genau der Diagnose, die Sie bereits bekommen haben.«
    »Wie hoch ist die Falsch-Positiv-Rate dieses Labors? Wie ist der Name des Labors?«, fragte John.
    »Athena Diagnostics, und ihre Genauigkeit für die Entdeckung dieser Mutation liegt nach eigenen Angaben bei über neunundneunzig Prozent.«
    »John, es ist positiv«, sagte Alice.
    Jetzt sah sie ihn an. Sein Gesicht, normalerweise kantig und entschlossen, erschien ihr schlaff und fremd.
    »Es tut mir leid, ich weiß, dass Sie beide nach einem Ausweg aus dieser Diagnose gesucht haben.«
    »Was heißt das für unsere Kinder?«, fragte Alice.
    »Nun, da gibt es jetzt vieles zu bedenken. Wie alt sind sie?«
    »Sie sind alle in den Zwanzigern.«
    »Das heißt, wir würden nicht erwarten, dass eines von ihnen bereits symptomatisch ist. Bei jedem Ihrer Kinder beträgt die Wahrscheinlichkeit, diese Mutation zu erben, fünfzig Prozent, die mit einer Wahrscheinlichkeit von wiederum hundert Prozent die Krankheit verursacht. Eine präsymptomatische genetische Untersuchung ist möglich, aber dabei gibt es einiges zu berücksichtigen. Würden Ihre Kinder mit diesem Wissen leben wollen? Wie würde es ihr Leben verändern? Was, wenn eines von ihnen positiv ist und eines negativ? Wie würde das ihre Beziehung zueinander verändern? Alice, wissen Ihre Kinder überhaupt von Ihrer Diagnose?«
    »Nein.«
    »Sie sollten sich vielleicht überlegen, ob Sie es ihnen nicht bald sagen wollen. Ich weiß, es ist ein bisschen viel, um alles auf einmal bei ihnen abzuladen, vor allem, da ich weiß, dass Sie selbst noch dabei sind, es zu verdauen. Aber bei einer fortschreitenden Krankheit wie dieser können Sie sich zwar einen Plan zurechtlegen, wie Sie es ihnen später sagen wollen, aber dann werden Sie vielleicht nicht mehr in der Lage sein, ihn so auszuführen, wie Sie es ursprünglich wollten. Oder ist das vielleicht etwas, das Sie lieber John überlassen würden?«
    »Nein, wir werden es ihnen sagen«, sagte Alice.
    »Haben Ihre Kinder bereits eigene Kinder?«
    Anna und Charlie.
    »Noch nicht«, sagte Alice.
    »Wenn sie es vorhaben, dann könnte diese Information sehr wichtig für sie sein. Ich habe hier etwas Informationsmaterial zusammengestellt, das Sie ihnen gern weitergeben können, wenn Sie wollen. Hier haben Sie außerdem meine Karte und die Karte eines Therapeuten, der es sehr gut versteht, mit Familien zu reden, die das genetische Screening und die Diagnosehinter sich haben. Haben Sie im Augenblick noch irgendwelche anderen Fragen, die ich Ihnen beantworten könnte?«
    »Nein, im Augenblick nicht.«
    »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht die Ergebnisse sagen konnte, auf die Sie gehofft hatten.«
    »Mir auch.«
     
    Keiner von ihnen sprach. Sie stiegen in den Wagen, John bezahlte den Parkhauswächter, und sie fuhren schweigend in Richtung Storrow Drive. Die Windchill-Temperaturen lagen jetzt schon die zweite Woche weit unter siebzehn Grad minus. Die Jogger waren gezwungen, in geheizten Räumen auf Laufbändern zu trainieren oder einfach auf etwas freundlicheres Wetter zu warten. Alice hasste Laufbänder. Sie saß auf dem Beifahrersitz und wartete darauf, dass John irgendetwas sagte. Aber das tat er nicht. Er weinte auf dem ganzen Weg nach Hause.

MÄRZ 2004
    Alice öffnete den Montagsdeckel ihres Sieben-Tage-Pillenspenders und kippte sich die sieben kleinen Kapseln in die hohle Hand. John marschierte zielstrebig in die Küche, aber als er sah, was sie in den Händen hielt, machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer, als hätte er soeben seine Mutter nackt überrascht. Er weigerte sich, Alice dabei zuzusehen, wie sie ihre Medikamente nahm. Er konnte mitten im Satz sein, mitten im Gespräch, aber sobald sie ihren Sieben-Tage-Pillenspender zückte, verließ er das Zimmer. Ende des Gesprächs.
    Sie nahm die Pillen mit drei Schluck heißem Tee und verbrannte sich die Kehle. Für sie war die Erfahrung auch alles andere als angenehm. Sie setzte sich an den Küchentisch, blies auf ihren Tee und horchte auf John, der über ihr durchs Schlafzimmer stapfte.
    »Was suchst du denn?«, rief sie.
    »Nichts«, brüllte

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