Mein Leben ohne Limits
halten, war ein Kraftakt. Nach einer Weile ging es, aber mehr schlecht als recht. Ich hatte mir längst beigebracht, Dinge mit meinem kleinen Fuß, dem Kinn oder den Zähnen aufzuheben. Der künstliche Arm machte mir den Alltag fast noch schwerer. Meine Eltern waren dementsprechend zunächst enttäuscht. Es hatte aber auch sein Gutes: Ich wurde selbstsicher, weil ich merkte, wie gut ich schon alleine klarkam. Also versuchte ich, sie zu trösten, dankte ihnen auch … und übte weiter ohne den Arm.
Ausdauer ist ein mächtiger Charakterzug. Unser erstes Experiment mit einer Prothese ging schief, aber ich hielt unbeirrt an dem Glauben fest, dass sich alles schon regeln würde. Mein Optimismus und meine trotzige Lebensfreude regten den örtlichen Lions Club dazu an, mehr als zweihunderttausend Dollar an Spendengeldern für meine vielen Arztrechnungen und einen neuen Rollstuhl zu sammeln. Dank dieses Geldes konnten wir auch nach Kanada reisen und in Toronto eine elektronische Armprothese testen, die dort von einer Kinderklinik entwickelt worden war. Am Ende waren aber sogar die Ärzte davon überzeugt, dass ich den größten Teil meiner täglichen Aufgaben ohne Prothesen besser hinbekam.
Dass Menschen daran forschten, immer bessere Prothesen zu entwickeln, hat mich begeistert. Und trotzdem wurde ich noch entschlossener, nicht darauf zu warten, bis mir jemand das Leben leichter machte. Ich wollte alles aus eigener Kraft erreichen, was ich konnte. Ich wollte meine eigenen Antworten. Heute ist es nicht anders: Ich freue mich ehrlich über jede kleine Hilfe. Wenn mir jemand die Tür aufhält oder das Glas Wasser an die Lippen setzt, bin ich dankbar dafür. Aber ich habe gelernt, selbst die Verantwortung zu übernehmen für mein Leben. Was ich selbst tun kann, will ich tun, auch für mein Glück und meinen Erfolg. Freunde und Familie stehen mir bei, wenn ich sie brauche. Ich bin sehr froh darüber. Hilfe lehne ich nicht ab, aber ich kämpfe mich selbst voran. Meine Erfahrung ist: Je mehr Kraft ich investiere, desto mehr Möglichkeiten tun sich auf.
Es gibt natürlich auch Situationen, wo man sich kurz vor dem Ziel wähnt, aber dann geht alles schief. Das ist kein Grund, aufzugeben! Nur der hat versagt, der sich weigert, es noch einmal zu versuchen. Ich bin zum Beispiel noch immer davon überzeugt, dass ich irgendwann ganz normal laufen und Dinge anheben und benutzen können werde. Das wird ein Wunder sein, egal, ob es auf übernatürliche oder technische Weise geschieht. Die Prothetik macht gewaltige Fortschritte! Eines Tages werde ich künstliche Arme und Beine haben, die wunderbar funktionieren. Aber bis dahin bin ich so zufrieden, wie ich bin.
Oft denken wir, Hindernisse halten uns nur zurück und machen das Leben schwer. Aber in Wirklichkeit wachsen wir daran. Das Handicap von heute kann der Vorteil von morgen sein. Ich sehe meine fehlenden Gliedmaßen inzwischen als Kapital. Auch wer meine Sprache nicht spricht, braucht mich nur zu sehen und weiß, dass ich es nicht leicht hatte, und das, was ich zu erzählen habe, ist nicht nur so dahergesagt.
IM TUNNEL
Wenn ich die Leute ermutige, nicht aufzugeben und durchzuhalten, bis bessere Zeiten kommen, spreche ich aus Erfahrung. Ich weiß, wovon ich rede, weil ich mich selbst in einer echten Sackgasse befand. Eines Tages hatte auch ich alle Hoffnung aufgegeben.
Der Tiefpunkt in meiner sonst recht glücklichen Kindheit kam, als ich zehn war. Ich wurde damals von negativen Gedanken vollkommen überwältigt. Egal, wie optimistisch, entschlossen und findig ich auch war, es gab einfach Dinge, die ich nicht konnte. Dazu gehörten die allereinfachsten, alltäglichen Sachen: Ich konnte nicht zum Kühlschrank gehen und mir eine Cola holen wie jedes andere Kind. So etwas machte mich wütend. Ich konnte nicht mal selbst essen. Wie ich es hasste, andere um Hilfe zu bitten! Sie mussten ihr eigenes Essen unterbrechen, um mir zu helfen.
Neben diesen simplen Dingen verfolgten mich auch viel größere Fragen: Wie soll ich je eine Frau finden, die mich liebt? Wie soll ich unsere Familie ernähren? Und wenn sie jemals bedroht werden, wie soll ich sie beschützen?
Große Fragen tauchen immer wieder auf. Wird die Beziehung halten? Ist mein Job sicher? Ist meine Wohngegend gefährlich? Es ist ja nicht verkehrt, zu planen und nach vorn zu schauen. Man braucht Visionen für die Zukunft. Problematisch wird es nur, wenn man von Zukunftsängsten blockiert wird und der Horizont voller dunkler
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