Mein Leben ohne Limits
was sie nicht sehen und nicht verstehen konnte. Genau so funktioniert Glauben. Natürlich kann ich nicht alles beweisen, woran ich glaube. Aber ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es besser ist, an etwas zu glauben, als ohne Glauben in der Verzweiflung stecken zu bleiben.
Auf meinen Reisen spreche ich jedes Jahr zu Tausenden von Schulkindern. Dabei gehe ich häufig auf dieses Thema ein. Wie vertraut man auf etwas, was man nicht sieht? (Manchmal haben die Kleinen ja am Anfang etwas Angst vor mir. Ich weiß nicht, warum, wir sind doch etwa gleich groß! Ich sage immer, ich bin eben klein für mein Alter.)
Am Anfang spaße ich mit ihnen herum, bis sie sich in meiner Gegenwart wohlfühlen. Sobald sie sich daran gewöhnt haben, wie ich aussehe, fällt ihnen meist mein kleines Füßchen auf. Manche zeigen darauf, andere machen große Augen. Also winke ich ihnen damit zu und sage: „Das ist meine kleine Hähnchenkeule.“ Damit bringe ich sie immer zum Lachen, vor allem weil die Beschreibung ziemlich treffend ist.
Meine Schwester Michelle ist sechs Jahre jünger als ich und war die Erste, die meinem Füßchen diesen Namen gegeben hat. Das kam so: Als Familie machten wir früher oft lange Ausflüge. Wir drei Kinder – Aaron, Michelle und ich – wurden im Auto wie die Orgelpfeifen auf die Rückbank geschnallt. Wie alle Väter wollte auch unser Dad möglichst selten Pause machen, wenn wir einmal unterwegs waren. Überfiel uns der Hunger, übertrumpften wir uns gegenseitig mit überdeutlichen Bemerkungen dazu.
Wenn wir schon fast verhungert waren, spielten wir oft verrückt und taten so, als würden wir voneinander abbeißen. Einmal verkündete Michelle, sie würde jetzt meinen kleinen Fuß abnagen, „weil der so aussieht wie eine Hähnchenkeule“. Wir lachten alle darüber und ich vergaß ihre Beschreibung wieder. Vor ein paar Jahren dann brachte Michelle einen Welpen nach Hause. Der kleine Hund wollte die ganze Zeit an meinem Füßchen knabbern. Ich schob ihn weg, aber er kam immer wieder zurück.
„Siehst du, sogar der Hund findet, dein Fuß sieht aus wie eine Hähnchenkeule!“, rief Michelle.
Ich habe vielleicht gelacht! Seitdem erzähle ich den Schulkindern diese Geschichte. Nachdem ich also meinen kleinen linken Fuß vorgestellt habe, frage ich sie, ob sie glauben, dass ich nur diesen einen habe. Damit werfe ich die Kinder ziemlich aus der Bahn, weil sie zwar nur einen Fuß sehen, aber eigentlich jeder zwei davon hat.
Die meisten Kinder halten sich an das, was sie sehen. Normalerweise bekomme ich zur Antwort, dass ich nur einen Fuß habe. Doch dann kommt Junior hervor, mein noch viel kleineres Füßchen auf der rechten Seite. Bis dahin habe ich es versteckt gehalten. Manchmal erschrecke ich die Kinder, indem ich Junior plötzlich hervorschnippen lasse und wild damit wackle. Meistens bricht dann lautes Kreischen aus. Kinder sind lustig, weil sie einfach geradeheraus sind. Sie geben zu, dass sie etwas sehen müssen, um es zu glauben.
Und nun ermutige ich die Kinder – genau wie meine Leser –, zu vertrauen, dass unser Leben versteckte Chancen birgt. Der Trick, um durch schwere Zeiten zu kommen, ist nämlich ganz einfach: Man darf seinen Lebenstraum nicht daran orientieren, was man sieht, sondern an dem, was man sich ausmalen und vorstellen kann. Und das nennt man Glauben.
VERTRAUE DEM PILOTEN
Inzwischen weiß ich, dass ich mir auch ohne Arme und Beine ein tolles Leben aufbauen kann. Und genau so solltest auch du an dein Leben herangehen: Nichts ist unerreichbar! Deine Anstrengungen werden sich auszahlen, wenn du alles für deinen Traum tust, was in deiner Macht steht.
Manchmal wird unser Vertrauen auf eine Probe gestellt, bevor der Erfolg greifbar wird. Das ist mir zuletzt 2009 passiert, als ich in Kolumbien auf Rednertour war. Ich sollte innerhalb von zehn Tagen in neun verschiedenen Städten auftreten. Damit ich die weiten Entfernungen in so kurzer Zeit auch schaffen konnte, charterte der Tourveranstalter für uns ein kleines Flugzeug. Wir waren auf den Flügen jeweils zu acht, inklusive Pilot und Kopilot, die beide Miguel hießen und nur sehr wenig Englisch sprachen. Während eines Fluges ging uns als Fluggästen der Schreck durch Mark und Bein, als plötzlich der Bordcomputer „Hochziehen! Hochziehen!“ meldete. Natürlich auf Englisch!
Die Computerstimme verkündete unseren rasanten Höhenverlust mit immer dramatischerer Stimme. „Sechshundert Fuß!“ „Fünfhundert Fuß!“
Weitere Kostenlose Bücher