Mein Leben ohne Limits
Lieblingsgeschichte aus der Bibel: Josef. Der hochnäsige Lieblingssohn, der von seinen eifersüchtigen Brüdern in die Sklaverei verkauft wird. Josefs Leben war lange Zeit kein Zuckerschlecken. Er wurde fälschlicherweise angeklagt, ins Gefängnis geworfen und wieder und wieder von Menschen betrogen, denen er vertraut hatte. Aber Josef gab nicht auf. Er ließ sich nicht von den Misserfolgen dazu verleiten, verbittert zu werden. Er bemühte sich immer weiter, bis er zum Stellvertreter des ägyptischen Pharaos wurde und sein Volk retten konnte.
Aus Josefs Leben kann man viel lernen. Zum Beispiel, dass zum Erfolg Anstrengung und manchmal auch Schmerz gehören. Josefs Schicksalsschläge haben mir gezeigt, dass mein Leben bei Weitem nicht das schlimmste ist, das man sich vorstellen kann. Andere Leute müssen noch viel mehr erleiden und erreichen trotzdem echte Größe. Gott liebt uns Menschen, verspricht uns aber kein sorgenfreies Leben. Josef hat sich durch alle Schwierigkeiten hindurchgekämpft, bis er irgendwann ein großer und gerechter Herrscher wurde.
Wenn man sich einer Sache verschreibt und dafür große Anstrengungen auf sich nimmt, ist die Euphorie im Moment des Durchbruchs so groß, dass man gleich weitermachen möchte, stimmt’s? Ich glaube, das ist kein Zufall, sondern eine der Hauptursachen dafür, dass wir es überhaupt so weit gebracht haben. Der Grund, warum wir Erfolge feiern, ist nicht, dass wir die Strapazen überlebt haben, sondern weil wir eine Zwischenstation brauchen, bevor uns unsere menschliche Natur zu noch größeren Leistungen antreibt.
Wenn ich das Gefühl habe, dass das Ziel immer weiter wegrückt und mir ein Stein nach dem anderen in den Weg gelegt wird, denke ich mittlerweile, dass ich durch eine Art Vorbereitungskurs für spätere Zeiten gehe. Manchmal stellt uns Gott vor Hindernisse, weil er weiß, dass wir daran wachsen.
Schaue ich auf das zurück, was ich als Jugendlicher durchgemacht habe – die Angst, die Unsicherheit, den Schmerz, die Einsamkeit –, bin ich nicht enttäuscht. Ich bin dankbar und freue mich, das alles überwunden zu haben! Meine Erfolge von heute kann ich umso mehr genießen. Letzten Endes haben mich die Schwierigkeiten von damals innerlich stärker gemacht – und verständnisvoller. Ohne meine eigenen Erfahrungen mit Depression und Verzweiflung könnte ich niemandem weiterhelfen, der eine schwere Zeit erlebt. Ich kann mich so viel besser in die Lage des anderen versetzen. Außerdem hat mich mein innerer Kampf selbstbewusster gemacht. Und das wiederum hat andere angezogen. Ich baute mir als Teenager einen großen Freundeskreis auf. Es war schön, auf einmal so positive Aufmerksamkeit zu bekommen! Vergnügt fuhr ich in der Schule mit meinem Rollstuhl von einem zum andern.
Du kannst dir vielleicht denken, wohin das führte – in die Politik. Ich nahm all meinen Mut zusammen und ließ mich als Kandidat für den Schulsprecherposten aufstellen. Das hieß, die eintausendzweihundert Schüler der MacGregor State School zu vertreten, eine der größten Schulen in Queensland.
Ich war nicht nur der erste körperlich behinderte Schüler, der je für dieses Amt kandidierte, mein Gegner war auch noch eine der größten Sportskanonen in der Geschichte unserer Schule: Matthew „Matt“ McKay. Heute ist er australischer Fußballprofi. Meine Lehrerin Mrs Hurley unterstützte mich in der Kandidatur, nachdem ich von Klassenkameraden vorgeschlagen worden war. Mein Wahlprogramm war Vielfältigkeit und Multikulturalismus, und als Wahlversprechen wollte ich ein Rollstuhlrennen beim Sportfest abhalten.
Das Ergebnis: Ich gewann die Wahl haushoch (Sorry, Matthew!). Meine Mom hat den Zeitungsartikel aus der Courier-Mail aufgehoben, wo zu meinem Wahlsieg ein Foto mit der Schlagzeile „Mut wird belohnt“ erschien. Im Artikel wurde ich mit den Worten zitiert: „Ich finde, Kinder im Rollstuhl sollten alles mal ausprobieren dürfen.“
Mein Kindheitsslogan hat sich vielleicht nicht so etabliert wie Nike’s „Just Do It!“, aber mir hat er etwas gebracht. Also noch mal: Versagen ist menschlich. Das passiert jedem von uns. Misserfolg gehört zum Leben dazu. Deswegen sollten wir erst recht das Beste draus machen. Und niemals aufgeben!
KAPITEL 8
Der Neue im Gebüsch
A
ls ich zwölf war, zogen wir in die Vereinigten Staaten. Ich hatte eine Riesenangst davor, ohne Freunde wieder ganz von vorn beginnen zu müssen. Im Flugzeug übte ich mit meinen Geschwistern den amerikanischen
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