Mein leidenschaftlicher Ritter: Roman (German Edition)
Linnet auf sie wartete.
Es war also ungefährlich, Licht zu machen.
Sie zündete die Lampe auf dem Tisch mit ihrer Kerze an, dann versuchte sie, die Schublade zu öffnen. Zugesperrt. Als sie sich nach einem Werkzeug umschaute, mit dem sie sie aufdrücken konnte, fiel ihr Blick auf eine kleine Vase auf einer Ecke des Tisches. War de Roche so einfallslos? Sie drehte die Vase auf ihrer Hand um und lächelte, als der Schlüssel auf ihren Handteller fiel. Der Mann besaß wirklich überhaupt keine Fantasie.
Der Schlüssel gab ein befriedigendes Klicken von sich, als sie ihn im Schloss drehte. Aha! Ein einziges Blatt Pergament lag in der Schublade. Als sie anfing, es zu lesen, verlor sie jedoch jegliche Zufriedenheit.
Sie setzte sich auf den Stuhl und glättete das Pergament mit zitternden Fingern, um es noch einmal zu lesen.
Verehrter Cousin,
alles ist arrangiert. Wir sind uns sicher, dass der fromme H. darauf bestehen wird, dass bei besagter Gelegenheit eine Messe abgehalten wird. So wird also der große H. auf den Knien sterben. Ich werde dort sein, um es mit eigenen Augen zu sehen.
Die Mitarbeit aller Beteiligten ist kostspielig. Halte Deinen Teil des Goldes bereit, wenn ich ankomme.
T.
Mord. Das hatte de Roches Cousin für »H.« im Sinn. Wer war dieser »H.«? Sie schnappte nach Luft. König Heinrich natürlich! Er war sowohl groß als auch fromm, das war gewiss. Und es war weithin bekannt, dass er zu jeder Gelegenheit Messen abhalten ließ.
Und der Cousin »T.«? Das konnte bloß de Roches verschlagener und mächtiger Cousin Georges de la Trémoille sein.
Doch was war die »Gelegenheit«, zu der sie planten, den König zu ermorden? Sie erinnerte sich vage daran, dass Robert sich darüber beklagt hatte, wie langweilig es in Caen wäre, wenn der König die gesamte Fastenzeit im Gebet verbrachte. Aber an Ostern würde es eine große Veranstaltung geben, bei der viele Männer zum Ritter geschlagen würden.
Die Messe war ein zentraler Bestandteil dieser Zeremonie.
Eine Reihe Edelleute, die Burgund folgten – Heinrichs angeblichem Verbündeten –, würde zu diesem wichtigen Ereignis eingeladen werden. Es wäre ein Leichtes für Trémoille, daran teilzunehmen.
Ein Schauder lief Isobel über den Rücken, als sie sich vorstellte, wie König Heinrich in der Kirche kniend ermordet wurde. Der großartigste König, den England seit vielen Generationen erlebt hatte, sollte vom Schwert eines Feiglings niedergestreckt werden? Wenn es sein Schicksal war, jung zu sterben, dann sollte solch ein König den Heldentod auf dem Schlachtfeld finden.
Sie musste Stephen eine Nachricht über die Verschwörung zukommen lassen, damit er den König warnen konnte. Doch wie? Behutsam legte sie den Brief so zurück, wie sie ihn gefunden hatte, verschloss die Schublade und legte den Schlüssel wieder in die Vase. Dann blies sie die Lampe aus, blieb im Dunkeln sitzen und dachte darüber nach, was sie tun konnte.
Stephen hatte de Roche um Erlaubnis gebeten, sie zu besuchen. Wenn er kam, könnte sie es ihm erzählen. Sie biss sich verzweifelt auf die Unterlippe – de Roche würde niemals zulassen, dass sie Stephen allein traf. Wenn sie François fände, könnte sie ihm eine Botschaft mitgeben.
Aber François war bereits in Gefahr. De Roche wütete herum, er werde den Diener finden, der ihr von seinen geheimen Treffen erzählt hatte. Sie musste beide Zwillinge in Sicherheit bringen. Aber wie?
Ihr fiel keine Lösung ein. Hoffnungslosigkeit überkam sie. Sie vergrub das Gesicht in den Armen auf dem Tisch und weinte. Um ihren König. Um die Zwillinge. Um das Elend ihres Lebens. Um Stephen. Wie sehr sie sich danach sehnte, ihn zu sehen, sein Lachen zu hören, nur einmal noch seine Arme um sich zu spüren.
Wie lange hatte sie geweint, als sie Stimmen vernahm?
Sie wischte sich das Gesicht an den Ärmeln ab und stand auf. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht, in de Roches Arbeitszimmer zu bleiben? Als sie zur Tür ging, hörte sie die Stimmen noch einmal. Sie trat ans Fenster und lauschte.
Ein Schrei hallte durch den Innenhof. Isobel gefror das Blut in den Adern. Linnet.
Im Nu war Isobel aus der Tür und rannte zur Treppe. Bitte, Gott, lass mich nicht zu spät kommen. De Roche war der Einzige, der ohne Erlaubnis Isobels Gemächer bei Nacht betreten würde.
Die Erinnerung daran, wie Hume sie das erste Mal genommen hatte, ließ sie erschaudern, während sie die Treppenstufen hinaufhastete. Es gab nichts, was Isobel nicht tun würde, um
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