Mein leidenschaftlicher Ritter: Roman (German Edition)
der König letzte Nacht entschieden.«
»Die Leute hier glauben, dass die Stadtmauern von Falaise nicht zu bezwingen sind«, sagte Stephen. »Die Stadt wird ausharren.«
»Aye, es wird eine lange Belagerung«, stimmte William ihm zu.
Die Aussicht, mitten im Winter draußen zu campieren und sich dumm und dämlich zu langweilen, entmutigte Stephen noch mehr.
»Vielleicht sind wir lange genug weg, dass du das bisschen Verstand, das du einst hattest, wiedererlangst«, sagte William. »Ich setzte meine Hoffnung darauf, dass ihr neuer Ehemann sie holt, bevor wir zurückkehren.«
Isobel – nicht mehr in Caen? Stephen musste sie wenigstens noch einmal sehen. Sie mit dem Rücken an eine Mauer zu drücken und fast über sie herzufallen war nicht unbedingt eine angemessene Art, sich zu verabschieden. Angemessener Abschied oder auch nicht – der Schweiß trat ihm auf die Stirn, wenn er nur daran dachte.
Wenn er noch immer den Geruch ihres Haars und ihrer Haut in der Nase hatte, wie konnte er sich dann vorstellen, dass sie fort wäre? Oder noch schlimmer: bei ihrem neuen Ehemann? Das konnte er sich vorstellen. Seine Kiefer taten ihm weh, so fest biss er die Zähne aufeinander.
Doch der Franzmann schien nicht in Eile, sie für sich zu beanspruchen. Vielleicht wäre sie noch immer da, wenn er zurückkehrte. Vielleicht würde der Depp niemals kommen …
»De Roche wird kommen«, unterbrach William seine Gedanken. »Der König hat ihn an den Eiern.«
11
Januar 1418
Isobel hatte ihre Gedanken untertags im Griff. Doch ihre Träume verrieten sie. Manchmal träumte sie, dass Stephen ihr Geschichten erzählte, und wachte lächelnd auf. Manchmal erwachte sie erhitzt und atemlos mit der Erinnerung seiner Lippen auf ihrem Mund und seiner Hände, die sich über ihren Körper bewegten.
In der vergangenen Nacht hatte sie einen solchen Traum, der sie aus dem Bett scheuchte. Sie starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit und stellte sich vor, in einem Fluss zu stehen, wo das dunkle Wasser sie umströmte, bis das Verlangen nach seiner Berührung so weit nachgelassen hatte, dass sie wieder schlafen konnte. Heute Morgen huschten noch immer Fetzen des Traums durch ihren Kopf. Eine unbestimmte Sehnsucht und eine Schwere in ihrem Herzen blieben zurück.
Während sie bei hellem Tageslicht aus dem Fenster schaute, ermahnte sie sich selbst, welches Glück sie doch hatte, dass Stephen Caen verlassen hatte. Sie betete, sie würde von ihrem Wahnsinn geheilt, bevor er zurückkehrte. Denn Wahnsinn war es. Wahnsinn, die Verärgerung des Königs zu riskieren. Wahnsinn zu riskieren, unehrenhaft nach England zurückgeschickt zu werden. Wohin sollte sie sich in dem Fall wenden als an den Haushalt ihres Vaters?
Erniedrigt, abhängig und vollkommen dem Willen ihres Vaters unterworfen. Ihr Vater würde ihr nicht einmal erlauben, in ein Kloster zu fliehen. Er würde es als Vergeudung empfinden, egal wie viel an Wert sie inzwischen verloren hatte. Wenn sie ihren Ruf beschmutzt und den Zorn des Königs auf sich gezogen hatte, was für eine Ehe würde ihr Vater dann wohl noch für sie arrangieren?
Der Gedanke war unerträglich.
Der Verrat ihres Vaters hatte ihnen genug Unehre eingebracht; sie durfte nicht weiter Schande über ihre Familie bringen.
Dass sie so viel riskierte – und für so einen Mann! Das war mehr als dumm. Selbst wenn sie eine wohlhabende Witwe wäre und sich zum eigenen Gefallen einen Mann aussuchen könnte, wäre sie gut beraten, einen großen Bogen um Stephen Carleton und seinesgleichen zu machen.
Sie hoffte nicht auf einen Mann, den sie lieben konnte. Tatsächlich würde Liebe einem Mann viel zu viel Macht über sie geben. Alles, wonach sie sich sehnte, war ein Mann, den sie respektieren konnte. Ein Mann, der sich der Ehre und der Pflicht verschrieb. Nicht jemanden, der seine Talente mit frivolen Beschäftigungen verschwendete – vor allem mit der Jagd schöner Frauen.
Ha! Stephen machte nicht Jagd auf Frauen – er zog sie an wie ein toter Fisch die Fliegen. Sie atmete stoßweise aus. Aye, sie war nichts als eine weitere summende Fliege, nicht besser als der Rest.
Was, wenn FitzAlan nur ein kleines bisschen später in den Vorratsraum gekommen wäre? Sie legte die Hand auf die Brust. Gleich, was sie FitzAlan erzählt hatte, sie und Stephen wären gezwungen gewesen zu heiraten. Stephen schien sich zu diesem Zeitpunkt der Konsequenzen kein bisschen bewusster gewesen zu sein als sie. Die Ehe war ihm doch angeblich so lieb wie die
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