Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
war neugierig und legte im Moment keinen Wert auf irgendwelche gesellschaftlichen Konventionen, die Frauen in gesetztem Alter vornehme Zurückhaltung auferlegten. Ich war in meinem Job täglich mindestens sechs, meistens acht Stunden lang eine Lady mit sonorer Stimme, vorzüglichem Benehmen und erlesener Kleidung. Ich war damenhaft, zurückhaltend, diskret und charmant.
Jetzt aber hatte ich frei und keine Lust auf dieses dämliche Getue. Ich platzte vor Neugierde. Und ich wollte es wissen. Nicht irgendwann, sondern jetzt.
»Los, Meiser, zieren Sie sich nicht länger.« Ich grinste ihn frech an, saß aber nach wie vor stocksteif vor dem Mann und wartete. Meiser grinste zurück, nahm eine Streichholzschachtel, entzündete gemächlich ein Hölzchen und drehte die Zigarre im Mund mehrmals um sich selbst, bis sie endlich brannte, wie mir der beißende Qualm bestätigte, der über den Tisch in meine Richtung waberte und mir umgehend in den Augen biss.
»Pusten Sie gefälligst in die andere Richtung, das brennt in den Augen!«, blaffte ich ihn an, während ich mit den Händen nach unverbrauchter Sommerluft fuchtelte.
Meiser kicherte hinter der Wand aus silbrigem Rauch aus der Tiefe seines durchtrainierten Bauches heraus.
»Okay, also Ihre liebe Sarah Baerenbaum hat keine Freunde ...«
»Das weiß ich, das hat sie mir doch längst erzählt«, unterbrach ich ihn. Meiser legte seinen Kopf leicht schief und schaute mich mit seinen braunen Augen flehend an.
»Okay, ich unterbreche Sie nicht mehr.«
»Braves Mädchen, sehr brav.« Der Mann sprach mit mir wie mit einem Hund. Fehlte nur noch, dass er ein Leckerli zückte. Natürlich entging mir der ironische Unterton seiner Stimme nicht und die Lachfalten an den äußeren Augenlidern waren ebenso wenig zu übersehen wie das verräterische Zucken der Mundwinkel.
»Sie ist in einem Internat aufgewachsen, beziehungsweise in mehreren.« Ich wollte Meiser schon unterbrechen, dass ich das alles selbst wüsste. Immerhin legte ich über jeden meiner Klienten eine Datei an. Doch da Meiser mit so viel Verve sprach, unterließ ich es. »Sie ging teils in England, teils auf Ibiza und in den USA zur Schule. Erst in der neunten Klasse kehrte sie zu ihrer Mutter nach Hamburg zurück und machte hier ihr Abitur. Da war sie nicht mehr in einem Internat. Aus der Zeit kennt sie Ihren Mann. Sie sind in eine Klasse gegangen. Er war ihre Jugendliebe. Nach dem Abitur haben die zwei sich dann aus den Augen verloren. Sie studierte Architektur in London und machte dort auch ihren Abschluss. Danach arbeitete sie drei Jahre in einem Londoner Büro, ging dann nach Amsterdam, heiratete dort einen Schiffsmakler, der Ihrem Mann übrigens verblüffend ähnlich sieht, ließ sich ein halbes Jahr später wieder scheiden, lebte viele Jahre sehr zurückgezogen und kehrte 1994 nach Deutschland zurück. Bis vor drei Jahren lebte sie in Berlin, wo sie ebenfalls für ein Architekturbüro arbeitete. Und dann kam sie nach Hamburg zurück, zog zu ihrer Mutter und hat seitdem mal hier mal dort gejobbt, aber keinen festen Job mehr angenommen. Das hat sie allerdings finanziell auch nicht nötig, da ihr Großvater väterlicherseits ihr sein gesamtes Vermögen hinterlassen hat, als er vor sechs Jahren starb. Und da ihr Vater das Testament nicht angefochten hat, hat sie genug Geld, um nie wieder arbeiten zu müssen.«
»Weshalb ist sie nach Hamburg zurückgekehrt?«, fragte ich Meiser.
»Was ich glaube? Ich denke, Berlin ging ihr nach dem Tod ihres Freundes schlicht auf die Nerven. Zu viel Hektik, zu viel Stress, zu viel Lärm, zu viele Erinnerungen.«
»Sie hatte einen Freund, der gestorben ist?«
»In dem Jahr, als sie Berlin verließ, ist er mit dem Auto tödlich verunglückt. Sarah Baerenbaum saß mit im Wagen.«
»Das ist ja furchtbar.«
»Ja, vor allem, weil die zwei sich gestritten hatten. Er geriet ins Schleudern, und da er zu schnell fuhr, war es das dann. Er ist kurz vor Potsdam von der Fahrbahn abgekommen und hat sich überschlagen. Er war gleich tot. Sie hatte nur ein paar Prellungen und einen Unterschenkelbruch.«
»Und seit wann ist sie nun mit meinem Mann zusammen?«
Meiser musterte mich für einen kurzen Moment, als wollte er abschätzen, was er mir zumuten konnte.
Ich machte mich auf starken Tobak gefasst.
»Das haben wir noch nicht sicher herausbekommen. Doch die Aussage der Sekretärin Ihres Mannes deckt sich weitgehend mit unseren Ermittlungen. Sie hat noch von Berlin aus, also tatsächlich vor
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