Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
Kopf ungebremst auf die Dielen meines Schlafzimmers schlug.
Glassplitter schlitterten über den Fußboden in meine Richtung. Erschrocken und dem Gewicht des zu Boden drängenden Oberkörpers nicht gewachsen, entglitten Lisa Gregors Beine. Dumpf schlugen auch die Füße auf den Dielen auf.
Hätte Gregor auch nur einen Lebensfunken in sich getragen, wäre er spätestens jetzt zu sich gekommen. Kam er aber nicht.
Erstaunt starrten Lisa und ich uns über den Mann hinweg einen Moment lang an. Schließlich deutete Lisa mit ausgestrecktem Arm und zwei langgliedrigen Fingern, die in blau lackierten Nägeln endeten, auf die Glasstückchen.
Mir war schreckensklar, was ich übersehen hatte. Ich beugte mich hinab zu Gregor und drehte seinen Kopf zur Seite.
Unter Gregors Gewicht war mein Wecker zu Bruch gegangen. Ich hatte in der Panik nicht darauf geachtet, dass er wie jeden Morgen neben dem Kopfende meines Bettes auf dem Fußboden stand.
Ich betrachtete also Gregors Kopf, drehte ihn zu Seite, befühlte den Hinterkopf und wunderte mich, dass er von dem Sturz keine Beule davongetragen hatte. Stattdessen entdeckte ich ein kleines Stück Uhrenglas, das sich durch sein Ohrläppchen gebohrt hatte.
Eines war schon mal sicher: Falls es darauf ankäme, dürfte ich die Letzte sein, die eine Anstellung in einem Bestattungsunternehmen zu erwarten hatte. Für den Umgang mit Toten war ich, wie der Zustand von Gerhard Meinhard und Gregor hinlänglich bewies, nur unzureichend qualifiziert.
»Meine Güte, da haben wir uns ja auf was eingelassen. Das schaffen wir nie im Leben«, nörgelte Lisa.
»Doch, das müssen wir schaffen. Los, pack ihn mal an den Fußgelenken. Ich nehme wieder den Oberkörper.«
Wir bewegten Gregor etwa einen halben Meter weit, bevor er zunächst mir und dann Lisa erneut aus den Händen glitt.
»Verdammte Scheiße! Das glaube ich ja wohl nicht!« Fluchen beruhigt mitunter doch mehr, als man gemeinhin zugibt. Meiner Erziehung und auch allen modernen Benimmbüchern, die ja wieder in Mode gekommen sind, zum Trotz, gestattete ich mir ab und an einen Ausflug ins Ordinäre.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Lisa, nachdem wir uns beide wieder aufgerichtet hatten.
»Was sollen wir schon machen? So geht‘s auf keinen Fall. Wir ziehen ihn über den Fußboden. Ganz einfach.«
»Oder wir nehmen den Hund, den der Maurer hier vergaß, nachdem er das Gartentor neu gemauert hatte. Der muss doch irgendwo im Keller stehen.«
»Was denn für ein Hund?«
Ich hatte keine Ahnung, wovon Lisa sprach.
»Na dieses Ding auf vier Rädern, das die Handwerker immer benutzen, wenn sie ihre Zementsäcke durch die Gegend karren.«
»Ach, das ist ein Hund?«
»Ja, ich denke schon.«
»Gut, weißt du, wo das Ding steht?«
»Ja, unten im Keller gleich neben der Truhe.«
»Fein, dann hol ihn mal bitte.«
Während Lisa losrannte, um den Hund zu holen, setzte ich mich auf das Bett und wartete. Ich zündete mir eine ihrer Zigaretten an und befand, dass man sich durchaus an Nikotin gewöhnen konnte. Es beruhigt die Nerven, wenn man in einer üblen Situation steckt. Einem Arzt kann man damit natürlich nicht kommen, der würde einen behandeln, als sei man ballaballa. Aber was interessierte mich eine medizinische Indikation.
Natürlich behielt ich die Erkenntnis, dass die Zigarette mich beruhigte, unter Verschluss, denn unser Haus war für Angestellte wie Lisa oder Hedwig ausdrückliches Nichtraucherterrain. Ich hatte Lisa dazu verdonnert, ihre stündliche Nikotinration draußen auf dem Balkon zu inhalieren. Egal, ob das Thermometer gerade dreißig Grad im Schatten oder minus sechs Grad anzeigte. Was letzten Winter durchaus der Fall gewesen war. Lisa hatte grummelnd ihr Missfallen über diesen Rausschmiss bekundet, sich aber dann gehorsam in ihrem giftgrünen Webpelzmantel vom Flohmarkt auf den Balkon gestellt.
»Hey, rauchen Sie nicht so viel. Nachher wird Ihnen noch schlecht. Das geht den meisten so, die Nikotin nicht gewöhnt sind.«
Lisa eilte mit weit ausholenden Schritten und dem Hund unterm Arm ins Schlafzimmer und schüttelte dabei missbilligend den Kopf.
Ich erwiderte wohlweislich nichts, sondern hob Gregor an der Taille in die Höhe, während Lisa ihm den Hund unter das knackige Hinterteil schob. Schweigend, lediglich unterbrochen von einem kurzatmigen Ächzen, das Lisa hin und wieder von sich gab, schoben wir Gregors Beine und Oberkörper in die richtige Position.
»Im Ernst, gewöhnen Sie sich das Rauchen besser gar
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