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Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Titel: Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Buscha
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nicht erst an. Ich kann‘s Ihnen nur raten«, begann sie wieder, während sie sich damit abmühte, Gregors Arme auf dem Bauch übereinander zu legen und zu fixieren. Vergeblich. Die langen Männerarme rutschten widerborstig auseinander und glitten auf den Boden. Mit einem irritierten Ausdruck in den Augen richtete Lisa sich auf, während sie gleichzeitig munter weiterplauderte. »Man kommt dann nicht mehr weg von dem Zeug. Sehen Sie ja an mir.« Sie ging einmal um den Toten herum, inspizierte seine Lage, bückte sich erneut und verschränkte schließlich jeden einzelnen Finger der linken mit denen der rechten Hand, während sie weitersprach, als wäre es das Normalste von der Welt, an einem Toten herumzufummeln. »Also, Sie müssen jetzt nur noch den Kopf festhalten, während ich den Hund ziehe. Die Beine schleifen dann zwar auf dem Fußboden, aber das macht nichts. Dann muss Hedwig auf der Galerie weniger Staub saugen.«
    Sie kicherte vor sich hin, während wir den Hund samt Gregor aus dem Schlafzimmer hinaus, über die die Halle umspannende Galerie bis hin zur weit ausladenden Treppe fuhren. Ich hatte Gregors Knie gepackt und schob den Hund von hinten, während Lisa vorne zog und sich gleichzeitig darum bemühte, ihre langen blonden Haare aus dem Gesicht fern zu halten. Ab und zu wandte sie sich um und vergewisserte sich, wie weit es noch bis zur Treppe war.
    »Und jetzt?«, fragte ich möglichst unbedarft, als wir den oberen Treppenabsatz erreicht hatten. Ich wusste genau, was jetzt kam. Ich hatte es bereits am Abend zuvor geprobt.
    »Was jetzt? Jetzt ziehen wir ihn vorsichtig die Treppe runter. Beine nach vorn. Ich ziehe an den Füßen, und Sie passen auf den Kopf auf. Sonst kriegt er noch ne Beule. Und das wäre dem Toten gegenüber respektlos. Ehrlich.«
    Bloß gut, dass Lisa nicht auf die Idee kam, mich zu fragen, wie ich den schwerleibigen Gerhard Meinhard die Treppe hinunterbekommen hatte. Meine Aktion zeugte weder von Pietät noch von Respekt, höchstens von Geschäftstüchtigkeit. Aber wie sollte man das einer Dreiundzwanzigjährigen erklären?
    Wir zogen und schoben Gregor Stufe für Stufe vorsichtig die Treppe hinab, als in der Haustür erneut ein Schlüssel gedreht wurde.
    »Scheiße, das ist Hedwig!«, stieß Lisa hervor, während ich in der Bewegung innehielt und lauschte. »Es ist doch viel zu früh. Jetzt machen Sie schon.«
    »Zu spät«, flüsterte ich, als Hedwig auch schon in der Tür stand.
    Hedwig trug wie fast jeden Morgen ein dunkelblaues Kleid, dessen klassische Strenge sie mit einem abnehmbaren, weißen Kragen aufmunterte. Über dem Kleid strahlte eine weiße, mit violetten Stiefmütterchen bestickte Halbschürze mit einer zierlichen Rüschenkante, auf der zwei kleine ausgebeulte Taschen saßen. Unter der Kante lugte an der rechten Hüfte ein kleines Lederfutteral hervor, das sie allmorgendlich an ihrem Kleidergürtel befestigte und aus dem der sichelförmige, blank polierte Ebenholzgriff eines etwa zwanzig Zentimeter langen Kartoffelmessers ragte. Hedwig benutzte es, um die Terrassenpflanzen auszuputzen, kleinste Ritzen in den Badezimmerkacheln zu säubern oder um es seiner eigentlichen Bestimmung, dem Kartoffelschälen, zuzuführen. Der unorthodoxe Einsatz des Messers war keineswegs hygienisch zu nennen, aber Hedwig trug es bei sich, seitdem wir sie kannten, und wir hatten uns in den dreißig Jahren, die Hedwig jetzt für uns arbeitete, an seinen Anblick und seinen Einsatz gewöhnt. Selbst meine äußerst penible Mutter hatte Hedwig diese Marotte nachgesehen, solange sie dem Haushalt vorstand.
    Nun stand Hedwig erstarrt im Gegenlicht der Sonne, das durch die Eingangstür fiel und durch ihr schlohweißes, kurz gelocktes Haar schimmerte. Die zierliche Gestalt umschmeichelte ein Sonnenkranz, der einzig die zu groß gewachsenen, abstehenden Ohren mit ihren monströsen Ohrläppchen zu einem unvorteilhaften Blickfang geraten ließ, da er sie schreiend rosa aufleuchten ließ. Nichts an Hedwigs Ohren deutete darauf hin, dass sie in ihrer Jugend von eleganterem Wuchs gewesen waren. Vielmehr vermittelten sie den Eindruck, als hätten sie schon immer und nicht erst mit fortschreitendem Alter Wert darauf gelegt, schneller zu wachsen als der Rest der kaum einen Meter fünfzig großen Person.
    Neben ihr lugte Eule erwartungsvoll durch die Eingangstür. Die getrimmte, weiße Königspudelhündin unserer dreiundsechzigjährigen Nachbarin Marie Overlut war wie ihr Frauchen ein bisschen doof und es hatte

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