Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
unglaublich. Eine Katastrophe. Nicht auszudenken.«
Ich hatte zwar gemeint, sie solle das Knacken beenden, aber sie hatte es missverstanden und zog weiter an den Fingern. Ich versuchte, es zu ignorieren, war aber in Alarmbereitschaft. Das Knacken signalisierte bei Hedwig gemeinhin innere Anspannung und war schon so manches Mal von einem Weinkrampf gekrönt worden.
»Hedwig, beruhige dich, um Gottes willen.«
Sie ignorierte meine Bitte. Das hätte ich mir denken können.
»Weißt du eigentlich, was du uns gerade einbrockst? Ein toter Mann im Haus verstößt gegen das Gesetz. Und dann kommt die Polizei und stellt Fragen.« Sie zerrte mit zunehmend größerer Behändigkeit an den Fingern herum, während sich ihre Altstimme in eine keifende Tonlage hochschraubte.
»Hedwig, hör auf mit dieser Fingerknackerei, und beruhige dich. Mein Gott! Lass es mich doch erklären.«
»Ich soll mich beruhigen? Bist du noch ganz bei Trost? Ein Toter? Am frühen Morgen? In meinem Haus?« Jetzt schrie sie. Ich griff nach ihrem Arm, aber sie entwand sich meinem Zugriff.
»Schrei nicht. Bitte schrei nicht. Und außerdem ist es ist immer noch mein Haus.« Zu spät biss ich mir auf die Lippen, um die Worte daran zu hindern, gedankenlos aus dem Mund zu schießen.
Tränen schossen Hedwig in die Augen. Ich hatte es gewusst. Mir blieb an diesem seltsamen Tag auch nichts erspart.
Allerdings war ich selbst schuld. Ich hätte den letzten Satz nicht aussprechen sollen, denn in Hedwigs Verständnis ging es nicht um Besitz, sondern um Verantwortung, und unter diesem Aspekt beanspruchte sie unser Haus sehr wohl als das ihrige. Immerhin war sie diejenige, die putzte und Klempner, Gärtner oder sonstige Handwerker bestellte, wenn es nötig war. Manchmal fuhr sie mit ihrer weinroten Vespa höchstpersönlich in den Baumarkt, um Mörtel, Gips oder Schrauben einzukaufen und die eine oder andere Reparatur gleich selbst zu erledigen.
»Ob es nun dein Haus ist oder nicht! Das hilft... ja wohl auch nicht... weiter.« Hedwig schluchzte jetzt und fingerte mit hektischen Bewegungen in ihren Schürzentaschen nach einem Taschentuch. Ausnahmsweise schien sie keines bei sich zu haben. Immerhin schrie sie nicht mehr durch den Garten und hatte auch endlich aufgehört, ihre Finger zu malträtieren.
»Hedwig, bitte. Der Mann ist heute früh verschieden. Und ich kann mir keinen Skandal erlauben. Also haben Lisa und ich beschlossen, ihn im Keller abzulegen, bis uns etwas Besseres einfällt.«
Stammelnd schluchzte sie weiter vor sich hin.
»Aha ... im Keller ... also.« Hedwig kniff die verheulten Augen zusammen, was die Falte zwischen den Brauen überproportional anwachsen ließ, und musterte mich unter Tränen. »Das verbiete ich aber. Der ist... nicht aufgeräumt.« Das Schluchzen schwoll bei den letzten Worten noch einmal zu einem schrillen Ton an, sie zog den Schleim, der sich in der Nase gesammelt hatte, entschlossen hoch - und dann war es vorbei. Einfach so. Innerhalb eines Lidschlags hatte sie zu weinen und zu schluchzen aufgehört und entschuldigte sich in einer normalen Tonlage »Entschuldige, ich habe kein Taschentuch bei mir.«
»Ja, ja, schon gut. Aber der Keller ist aufgeräumt. Er ist immer aufgeräumt.«
»Ist er nicht. Das letzte Mal habe ich ihn im letzten November aufgeräumt. Lass mich mal rechnen.« Schweigend zählte sie an den Fingern die Monate nach. »Jetzt ist Juli. Also jetzt ist das acht Monate her. Das kann man dann keineswegs mehr aufgeräumt nennen. So, wie du da immer alles reinschmeißt. Und außerdem gehört es sich nicht, was ihr da vorhabt. Ein Toter muss von einem Arzt untersucht werden.«
»Hedwig, bitte. Der kann ihm doch auch nicht mehr helfen. Und wie soll ich das erklären? Ein Toter, der an Drogen starb? Das kommt nämlich hinzu, stell dir das mal vor! Und stell dir vor, was die Zeitungen schreiben.«
»Ja, ja, ich weiß schon. Und der Herr Gemahl, was wird der wohl denken, wenn frühmorgens ein fremder Herr im Haus verschieden ist? Woher der wohl kam? Und was der wohl so getan hat, hm? Und was du wohl so getan hast?« Missmutig schüttelte sie den weiß umrahmten Kopf, die Augen vom Weinen gerötet.
»Ach, Claire, kannst du denn nicht einfach mal eine Dame werden wie deine Mama? Immer dieser Überschwang und Unsinn. Seit deiner Kindheit heckst du immer solche Sachen aus und machst allen Ärger!«
»Ich mache doch keinen Ärger. Jedenfalls nicht, wenn es niemand erfährt. Deshalb wollen wir ihn ja
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