Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
blieben? Wie sollte ich reagieren angesichts einer Person, die meinen Mann umgarnt, vielleicht verführt, ganz sicher aber in ihren Bann gezogen hatte, um ihn als Ehepartner einzufangen?
Das ging nicht. Definitiv nicht.
Gelassenheit funktionierte nicht, Hilfsbereitschaft war nicht angesagt und Mitleid verbot sich. Es sei denn, man war in diesem Leben als Masochistin unterwegs. Das war ich aber nicht.
Ich konnte ihr gegenüber vielleicht ein professionelles Lächeln aufbringen. Musste ich auch. Immerhin war Sarah Baerenbaum trotz allem eine Kundin, die für lächelndes Verständnis zahlte. Exorbitant gut zahlte.
Diese Art Lächeln beherrschte ich perfekt, hatte ich doch von Kindesbeinen an Gelegenheit, seine Wirkung zu studieren. Meine Mutter lebte es uns vor und zauberte selbst dann ein verständnisvolles Lächeln auf ihre tiefrot geschminkten Lippen, wenn sie das Personal maßregelte oder Ärger mit meinem Vater hatte.
Im Gegensatz zu meiner Mama aber zeichnete mich ein Handicap aus, das dem Lächeln gelegentlich gehörig in die Parade fuhr.
Mein Mundwerk neigte nämlich dazu, Sätze schneller zu formulieren, als mein Verstand sie in seiner Konsequenz zu Ende denken konnte. Gemeinhin nannte meine Umgebung derlei Sentenzen dann die ungeschminkte Wahrheit, was Quatsch war und gefährlich - für mich.
Das, was ich unter solchen Umständen unreflektiert von mir gab, waren Halbwahrheiten, nicht zu Ende gedachte Einsichten, Ansichten oder Stellungnahmen. Meistens hielten sie genauerer Prüfung nicht stand, standen aber im Raum und verkorksten den geplanten Fortgang des Geschehens, worauf ich es bei Sarah Baerenbaum auf keinen Fall ankommen lassen wollte.
Für den Umgang mit ihr brauchte ich gute Nerven, einen fest umrissenen Plan - und etwas Abstand.
Allerdings hatte ich noch einen weiteren Grund, die Verabredung mit der Baerenbaum abzusagen. Ich musste dringend nach Bremsnitz fahren und mir den Jungen ansehen, der am Freitag unsere Autos beobachtet und Zeichnungen von uns aus angefertigt hatte. So bescheuert ich selbst auch die Idee fand, den Ort des Leichenfundes noch einmal aufzusuchen, ich hatte es Lisa und Hedwig versprochen. Wider besseren Wissens übrigens. Ich meine, Täter, die es an den Ort des Verbrechens zurückzieht, gelten gemeinhin als blöd, hält die Polizei Augen und Ohren doch gerade dort besonders offen.
Lisa entfuhr ein erleichtertes »Viel Spaß«, als ich sie von meiner Entscheidung in Kenntnis setzte. Hedwig schaute zu mir hoch und erklärte bestimmt, sie käme mit nach Bremsnitz. Ich hätte ja wohl nichts dagegen, oder?
Ich hatte sehr wohl etwas dagegen, war doch gewiss, dass mir ihre Anwesenheit ziemlich auf die Nerven gehen würde. Das behielt ich jedoch im Interesse meines Seelenheils für mich. Einen solchen Einwand würde Hedwig erstens sowieso nicht gelten lassen und zweitens mir bis an mein Lebensende nachtragen. Und darauf wollte ich es nicht ankommen lassen.
Also lächelte ich Hedwig an und erklärte, sie möge sich beim Packen von ein paar Kleinigkeiten sputen. Ich ging zurück ins Haus und rief Sarah Baerenbaum an.
Sarah Baerenbaum war ob der kurzfristigen Absage erstaunt und, wie sie sagte, ein wenig traurig, hatte sie sich doch sehr auf ein paar neue Kleider gefreut. Darüber hinaus machte sie keine Anstalten, mich umzustimmen oder gar meine Ausrede, ich hätte mir eine Darminfektion eingefangen, in Frage zu stellen.
Mit professionellem Bedauern vertröstete ich sie auf ein anderes Mal und versprach, ich würde mich melden, sobald es mein Zustand erlaube.
Zwanzig Minuten später hatte ich eine kleine Reisetasche gepackt, saß mit Hedwig im Audi TT und war in Richtung Bremsnitz unterwegs, wo wir nach dreieinhalb Stunden reibungsloser Fahrt bei schönstem Sonnenschein und über dreißig Grad Hitze ankamen.
Ich hatte das Cabrio mit Bedacht gewählt, da die Polizei glaubte, die von dem Jungen gezeichneten Damen seien in einem Opel oder in einem Audi A8 unterwegs.
Bremsnitz lag in der Hitze da wie ausgestorben. Das Straßendorf, das sich entlang eines kleinen Baches schlängelte, wartete mit einem kleinen Gemischtwarenladen auf, der aus DDR-Zeiten stammte und über dessen Eingangstür noch immer, wenn auch in verwitterten Buchstaben, »Konsum« zu lesen stand. Ich hoffte sehr, das kleine Eckgeschäft hätte geöffnet, waren Hedwig und ich nach der Fahrt doch rechtschaffen hungrig und durstig.
Bedauerlicherweise war der Laden über Mittag für zwei Stunden geschlossen.
Weitere Kostenlose Bücher