Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
Hedwig meckerte rum, nach dem Motto »blöde Ex-DDR«, was ihr einen Rüffel von mir eintrug. Immerhin schlossen selbst in ihrem geliebten Schleswig-Holstein die kleinen Dorfläden mittags für zwei Stunden.
Wir entschieden uns, in das Nachbardorf zu fahren und nach einer Kneipe zu suchen.
Das nächstgelegene Dorf war nicht größer als Bremsnitz, besaß aber einen Gasthof, zumal einen, der geöffnet hatte und mit einem lauschigen Vorgarten zum Verweilen einlud.
Aufatmend stieg Hedwig aus dem Auto und begab sich zielstrebig zu einem Tisch, der unter einer Schatten spendenden Kastanie stand. Trotz der Hitze saßen an einem benachbarten Tisch ein paar Bauern in dunkelblauen Twillichhosen und groß karierten Flanellhemden, deren Ärmel sie hochgekrempelt hatten, und aßen Bratkartoffeln mit Matjes. In einer Ecke zur Straße hin hatten es sich zwei ältere Damen unter einem knallgelben Sonnenschirm bequem gemacht und nippten mit spitzen Mündern an zwei Halblitergläsern Apfelsaftschorlen. Ihre stilvolle Kleidung legte nahe, dass sie an diesem abgeschiedenen Ort ebenfalls nur auf der Durchreise waren. Ein junges Pärchen, das aussah, als hätte es seine Kleidung in den Säcken des Roten Kreuzes gefunden, wartete auf seine Bestellung. Beide trugen einst schwarze, nunmehr verwaschene, knallenge Jeans, über denen weite T-Shirts undefinierbarer Farbe schlabberten. Der Junge spielte mit einem Bierdeckel, während das Mädchen vor sich hin starrte.
Hedwig und ich ließen uns also an dem Tisch unter der Kastanie nieder und bestellten bei einem netten älteren Herrn in einer braunen Cordhose und einem gelblichen Hemd, zu dem er eine goldbraune Fliege trug, eine große Flasche Evian.
Der etwa Siebzigjährige ignorierte meine Anwesenheit, grinste Hedwig ein »Hammerich« zu und entblößte dabei ein gepflegtes Gebiss, dessen ebenmäßige Zahnstellung darauf hinwies, dass wir es mit einem Kunstprodukt zu tun hatten. Gepflegt und ohne dunklen Zahnstein, der zumeist mangelhafte Pflege und übermäßigen Tee- oder Nikotingenuss verriet, strahlte uns das Kukident-Gebiss entgegen.
Hedwig strahlte zurück, den Mund leicht geöffnet. Ihre künstlichen Zähne mussten sich hinter denen des Mannes in keiner Weise verstecken.
Sie hatten mich auch genug gekostet, hatte die Krankenkasse sich doch stur gestellt und nur einen geringen Prozentsatz gezahlt, da es sich bei Hedwigs Gebiss im Verständnis der Kasse um eine kosmetische und nicht um eine medizinische Angelegenheit handelte.
Nachdem Hedwig und ich also zwei Apfelsaftschorlen bestellt hatten, lehnten wir uns entspannt auf unseren Stühlen zurück. Hedwig mit einem verstohlenen Lächeln auf den Lippen, das einen Kommentar geradezu herausforderte.
»Ich glaube, der findet dich nett«, sagte ich schmunzelnd.
Hedwig lächelte nicht.
Ich saß in einem Fettnapf von der Größe eines Waschzubers und wünschte mir, ich hätte mein impulsiv arbeitendes Mundwerk besser im Zaum gehalten.
Hedwig wurde erst rot, straffte sich dann in Zehntelsekunden, richtete sich auf, knallte die Ellenbogen auf den Tisch und starrte mich durch ihre rosafarbene Brille wütend an.
»Und was ist daran lächerlich?«
Scheiße.
»Gar nichts. Ich wollte nur einen Spaß machen. Tut mir Leid, Hedwig.«
»Einen Spaß. Auf meine Kosten. Typisch. Kenne ich ja.«
»Hedwig, es tut mir Leid. Bitte entschuldige.«
Ich nahm ihre Hände in meine und schaute sie an. »Komm schon. Ich lade dich ein. Los, bestell dir einen Apfelkuchen mit Sahne. Oder vielleicht gibt es ja sogar schon Pflaumenkuchen.«
Während ich Hedwig zu beruhigen versuchte, war der Kellner zurückgekehrt, servierte die Schorle vornehm mit über dem Arm drapierter, schneeweißer Serviette und winkte bei der Frage nach frischem Pflaumenkuchen bedauernd ab. Es sei leider noch nicht die rechte Zeit. Aber er könne uns einen hervorragenden Himbeerkuchen anbieten. Selbst gebacken. Von seiner Tochter. Ob wir den nicht probieren wollten?
Wir wollten und drei Minuten später standen zwei überwältigende Stücke Himbeerkuchen vor uns, die zwei exorbitant große Sahnehauben trugen.
»Heiliger Strohsack, da können Sie aber nicht viel dran verdienen, wenn Sie Ihren Gästen solche Riesenstücke vorsetzen«, staunte Hedwig.
Ich starrte auf meinen Kuchen, um nicht ungebührlich zu grinsen.
»Die Größe der Stücke richtet sich immer nach dem Sympathiewert der Gäste«, antwortete der Kellner charmant und mit einer leichten Verbeugung erst zu Hedwig,
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