Mein Mutiger Engel
Schwager erwiderte ihren tröstlichen Händedruck. "Vermutlich nicht. Aber ich sollte dich eigentlich herumführen, statt dich mit meinen Angelegenheiten zu belästigen."
"Nein, erzähl mir lieber von deinen Träumen. Weißt du, viele Geistliche stammen aus adligen Familien. Du wirst es noch bis zum Erzbischof bringen – ich sehe deutlich, dass du für Großes ausersehen bist!"
"Und ich sehe, wie lieb du bist", erwiderte Robert herzlich und küsste sie auf die Wange.
Katherine lachte unbefangen. "Vielen Dank, aber du schmeichelst mir ja bloß. Ah, da kommt Nick."
Anscheinend hat das Gespräch mit seinem Vater ihn aufgeregt, dachte sie, als sie das gefährliche Funkeln in den Augen ihres Gatten bemerkte. "Nick! Stell dir vor, wie töricht von mir! Ich musste schon nach wenigen Minuten eingestehen, dass mich das Schloss völlig verunsichert, also führte Lord Robert mich stattdessen nach draußen, um mir die Gärten zu zeigen."
"Soso." Nicks finstere Miene brachte sie auf einen beklemmenden Gedanken. Er dachte doch nicht etwa …?
Auch Robert spürte, dass Gefahr im Verzug war. "Ich habe Katherine meine geheimen Träume anvertraut." Da Nick die Augenbrauen hochzog, fügte er hastig hinzu: "Ich möchte Geistlicher werden."
"Donnerwetter!"
"Fluche nicht, Nicholas", sagte Katherine streng. "Dein Bruder meint es ernst. Sollte er nicht so bald wie möglich mit eurem Vater sprechen?"
Endlich wich der finstere Ausdruck aus Nicks Gesicht. "Vater wird es gerne sehen, wenn endlich ein wenig Moral in die Familie einzieht", bemerkte er amüsiert zu Robert. Dann fügte er in gespielt ernstem Ton hinzu: "Aber vielleicht wird er verlangen, dass du wartest, bis ich geheiratet und eine eigene Familie gegründet habe."
"Du bist bereits vermählt", rief Robert ihm in Erinnerung.
"Nur vorübergehend", warf Katherine hastig ein. "Bis zur nächsten Saison ist er sicher wieder frei, sodass er sich eine passende Braut suchen kann." Mit diesen Worten erhob sie sich und strich ihren Rock glatt. "Nun möchte ich gerne das Schloss besichtigen, wie Seine Gnaden es wünscht." Erwartungsvoll sah sie Nick an. Die Lange Galerie, die er nach dem Mittagessen erwähnt hatte, schien ihr ein idealer Ort für ein Gespräch unter vier Augen.
"Es tut mir sehr leid, Katherine", erwiderte er mit einem charmanten Lächeln. "Vater hat mich aufgefordert, mit Witherspoon, unserem Verwalter, zu sprechen. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass ich mich endlich in die geschäftlichen Angelegenheiten des Anwesens einarbeiten soll. Robert kann dich begleiten."
Katherine sah ihm hinterher, während er sich entfernte. Wieso fesselte sie der Anblick seiner breiten Schultern und seines geschmeidigen Gangs so sehr?
Auch Robert betrachtete seinen Bruder. "Nick muss unbedingt einen Schneider aufsuchen, bevor er wieder an gesellschaftlichen Anlässen teilnimmt. Meine Röcke sind ihm in den Schultern zu eng. Warum hat er eigentlich nicht in London eine neue Garderobe bestellt?"
"Weil er überhaupt kein Geld besaß und ich so gut wie keines und weil wir vor dem Gerichtsvollzieher fliehen mussten." Katherine schlenderte mit ihm über den Rasen zum Schloss zurück. Wenn sie sich nur auf einen Flügel konzentrierte, wirkte es gar nicht so überwältigend. "Erheben Geldverleiher sehr hohe Zinsen?"
"Ich habe keine Ahnung", antwortete Robert verblüfft. "Aber darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Nick wird die Schulden bezahlen. Hier, gehen wir durch diese Tür hinein."
"Dann würden die Zinsen natürlich wegfallen, aber er wird mir sicher nicht erlauben, ihm das Geld zurückzuerstatten", sann Katherine laut nach, während sie sich eine enge Treppe hinaufführen ließ.
Oben angelangt, traten sie durch eine Tapetentür in die Lange Galerie. Eine Längsseite des Raums bestand aus einer Fensterfront. An der gegenüberliegenden Wand, die mit purpurrotem Damast bezogen war, hingen unzählige Porträts.
"Die Familie – größtenteils Schurken", erklärte Robert, wobei er auf die vergoldeten Rahmen wies. "Bei den meisten Mitgliedern kannst du die typische Lydgate-Nase beobachten und bei einzelnen Unglücklichen auch das charakteristische Kinn. Hier beispielsweise … Ja, Jenkins, was gibt es?"
Der Lakai verneigte sich. "Bitte verzeihen Sie die Störung, Mylord. Durren lässt ausrichten, dass der Schmied eingetroffen ist. Das braune Jagdpferd Seiner Gnaden muss beschlagen werden, aber ich kann Seine Gnaden nicht finden."
"Dann spreche ich am besten selbst mit dem
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