Mein Mutiger Engel
Mann. Wehe uns allen, wenn dieses Pferd falsch behandelt wird! Würdest du mich wohl für einen Moment entschuldigen, Katherine?"
"Natürlich, lass dich nicht aufhalten. Ich sehe mich so lange hier um." Katherine ging langsam die Galerie entlang. Bald trat sie zurück, um Gruppengemälde oder Bilder früherer Herzöge in Hermelinroben zu bewundern, bald näherte sie sich der Wand, um kleine dunkle Porträts zu betrachten, die ihrer Einschätzung nach aus der Tudorzeit oder aus den Tagen James I. stammten.
Nick war unverkennbar ein Lydgate. Sein Antlitz mit den dunklen Augen, der geraden Nase und den sinnlichen Lippen blickte ihr aus zahllosen Gemälden entgegen. Auf manchen Abbildungen erkannte sie seinen stolzen Gesichtsausdruck wieder, in selteneren Fällen seinen schelmisch funkelnden Blick, vor dem sie sich mittlerweile in Acht nahm. Alle Porträtierten wirkten intelligent, genau wie er es war. Ein paar von ihnen besaßen ein markantes, entschlossenes Kinn, wie Robert bereits erwähnt hatte. Bei den Männern störte es nicht weiter, doch den Damen stand es wirklich nicht gut. Hoffentlich erben unsere Töchter es nicht, dachte sie, dann stockte ihr vor Entsetzen der Atem. Was für ein unerhörter Gedanke! Du fantasierst ja, du Närrin!
Aufgewühlt setzte sie ihren Rundgang fort. Ihr Nacken schmerzte, da sie ständig den Kopf zurücklegen musste, doch diese Unannehmlichkeit nahm sie als Strafe für ihre Träumerei in Kauf. Nach einer Weile gelangte sie zu einer Gruppe von Gemälden aus jüngerer Zeit. In einem der Herren erkannte sie den gegenwärtigen Duke wieder. Und bei der zierlichen blonden Dame neben ihm, die nach der Mode des vergangenen Jahrhunderts gekleidet war, handelte es sich vermutlich um seine erste Gattin. Auf dem nächsten Bild stand der Duke hinter einer anderen Dame, die ein Baby auf ihrem Schoß hielt. Ein kleiner Junge schmiegte sich an ihr Knie – Nicholas. Lächelnd trat Katherine vor, um das Bild näher zu betrachten.
"Eine hübsche Gruppe", bemerkte eine gelassene Stimme hinter ihr, die sie zusammenfahren ließ. "Entschuldige, meine Liebe, ich wollte dich nicht erschrecken. Haben meine Söhne dich im Stich gelassen?"
"Nicholas spricht gerade mit Ihrem Verwalter, Euer Gnaden, und Lord Robert wurde vor wenigen Minuten zu den Stallungen gerufen. Es ging um Ihr braunes Jagdpferd."
"Tatsächlich? In meiner Jugend hätte mich kein Pferd von einer reizenden jungen Dame ablenken können."
Katherines Lippen zuckten. "Ich glaube, Lord Robert trieb eher die Furcht vor Ihrem Missfallen an als die Sorge um das Pferd."
"So gehört es sich auch", erwiderte der Duke würdevoll. "Demnach fällt mir die Aufgabe zu, dir den Rest der Sammlung zu zeigen. Oder langweilt die endlose Reihe von Lydgates dich bereits?"
"Nein, Euer Gnaden, im Gegenteil."
"Mal sehen, ob wir noch weitere Bildnisse deines Gatten finden. Ach ja, hier – ein übertrieben dramatisches Porträt."
Er blieb vor einer Studie stehen, die ein sich aufbäumendes Pferd vor einem gewittrigen Himmel zeigte. Sein Reiter, ein Jüngling, hielt die Zügel fest in der Hand und konzentrierte sich darauf, es zu bändigen. "Zwei wilde Tiere", entfuhr es Katherine.
"Eines so stur wie das andere", bestätigte der Duke. "Damals besaß Nicholas ein ebenso wildes Temperament wie dieser Hengst. Inzwischen hat er anscheinend gelernt, sich zu beherrschen."
"Oh ja, sehr gut sogar", beantwortete Katherine die indirekte Frage. "Und er ist äußerst mutig. Es hat mich zutiefst beeindruckt, wie würdevoll, ja, sogar humorvoll er die entsetzlichen Zustände im Gefängnis und die Gewissheit seines Todes ertrug."
Der alte Mann schwieg, doch Katherine spürte, wie sehr ihre Worte ihn erfreuten. Noch hatte er seinem Sohn nicht vergeben, daher würde er niemals eingestehen, wie stolz er auf ihn war. Aber dieser Stolz saß tief, und er hörte es gerne, wenn man ihn darin bestätigte.
Schließlich sagte er: "Nicholas hat mir nichts über das Gefängnis erzählt – nur, wie abschreckend er nach wochenlanger Haft aussah. Es hat ihn erstaunt, dass du dennoch bereit warst, ihn zu heiraten."
Katherine lachte. "Nun, Euer Gnaden, er bot tatsächlich einen Furcht erregenden Anblick. Der Schmutz, der Bart, die langen Haare, ganz zu schweigen von dem Gefängnisgeruch … Dann bemerkte ich jenen Ausdruck in seinen Augen – ich kann ihn nicht genau beschreiben, aber er bewirkte jedenfalls, dass ich mich bei ihm sicher fühlte. Seine Handgelenke waren wund gerieben." Zu
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