Mein mutiges Herz
Vater hat ein stattliches Vermögen geerbt, in dessen Genuss Michael einmal kommt. Er kann dir ein angenehmes Leben bieten, und wenn er dir besser gefällt …“
Lindsey starrte auf den dritten Namen auf der Liste. „Stephen Camden? Ihr habt mit Lord Merrick über eine Heirat mit mir gesprochen?“
„Der Mann sucht dringend eine Frau. Er braucht einen Erben, und ihr kennt euch seit der Kindheit. Sein Besitz grenzt an den unseren, und unsere Familien sind seit Generationen befreundet. Stephen war sehr angetan von der Idee. Natürlich weiß keiner der Herren von den anderen infrage kommenden Kandidaten. Schließlich wollen wir die Angelegenheit diskret behandeln.“
Lindsey starrte immer noch verstört auf die Liste. „Ich kann nicht … ich kann es einfach nicht glauben.“
„Vielleicht im Moment nicht. Aber wie du siehst, nehmen dein Vater und ich die Sache sehr ernst. Du kannst dir natürlich Zeit lassen. Schließlich ist es unser Wunsch, dass du mit deiner Wahl glücklich bist. Und wie gesagt, wir können der Liste noch einen oder zwei Namen hinzufügen, falls dir keiner unserer Vorschläge zusagen sollte.“
Lindsey blieb stumm. Sie war tief erschüttert, dass ihre Eltern sie verschachern wollten wie eine Kuh auf einer Viehauktion.
Dann hob sie das Kinn und blickte ihrer Mutter direkt ins Gesicht. „Das kommt völlig überraschend für mich. Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken.“
„Gewiss, etwas anderes habe ich auch nicht erwartet.“
Lindsey stellte die Tasse ab und erhob sich. „Ich habe ein paar dringende Erledigungen zu machen, Mama. Wenn du mich bitte entschuldigst …“
„Selbstverständlich, Liebes.“
Auf steifen Beinen, die sich wie Holzstelzen anfühlten, verließ Lindsey den Salon. Benommen stieg sie die geschwungene Freitreppe nach oben, ging in ihr Zimmer und verriegelte die Tür.
Ihre Eltern waren fest entschlossen, sie unter die Haube zu bringen. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schock. Andererseits hatte sie immer gewusst, dass dieser Tag einmal kommen musste, dass sie nicht ewig im Haus ihrer Eltern wohnen würde. Wenn sie ihren aufwendigen Lebensstil fortsetzen wollte, musste sie heiraten.
Seltsamerweise war ihr der Gedanke an Heirat nicht mehr so widerwärtig wie früher. Seit einigen Wochen geisterten ihr Gedanken an einen Ehemann, Kinder und ein eigenes Heim gelegentlich im Kopf herum. Das Problem bestand lediglich darin, dass der Mann, den sie zu heiraten wünschte, nicht auf der Liste ihrer Eltern stand. Er besaß kein Vermögen. Er passte nicht in die vornehmen Kreise, in denen ihre Eltern verkehrten.
Lindsey versuchte sich vorzustellen, mit dem verknöcherten Lord Vardon verheiratet zu sein, im Grunde nicht unattraktiv, allerdings zwanzig Jahre älter als sie und ein Hohlkopf erster Güte.
Sie dachte an Lieutenant Harvey. Michael sah gut aus, war charmant, aber seine Karriere war ihm wichtiger als alles andere, und sie war nicht in ihn verliebt und würde es nie sein.
Für sie gab es nur einen Mann, den sie sich als Ehemann wünschte. Ihn und keinen anderen.
Sie begehrte Thor Draugr, und es war ihr völlig einerlei, wie viel Geld er besaß, dass er keinen vornehmen Hintergrund vorzuweisen hatte und sich von allen anderen Männern grundsätzlich unterschied. Ihn wünschte sie sich zum Ehemann und Vater ihrer Kinder.
Noch während sie die verabscheuungswürdige Liste ihrer Eltern in Händen hielt, stieg ein Glücksgefühl in ihr auf. Sie hatte sich nie gerne Befehlen unterworfen, aber diesmal wollte sie sich den Anweisungen ihrer Eltern fügen – zumindest in einem Punkt.
Sie wollten, dass sie heiratete – gut, dann würde sie eben heiraten!
Aber wenn sie schon heiratete, sollte es der Mann sein, den sie liebte.
Lindseys Gedanken drehten sich auch am nächsten Morgen um Thor – wie schon die ganze Nacht. Sie hatte darüber gegrübelt, wie sie das Thema Thor gegenüber anschneiden sollte, und jeden Ansatz verworfen. Aber im Grunde genommen ging sie davon aus, dass er nichts gegen eine Ehe mit ihr einzuwenden hätte. Er fühlte sich schuldig, eine Affäre mit ihr gehabt zu haben, ohne mit ihr verheiratet zu sein. Er würde sich verpflichtet fühlen, sie zu heiraten.
Der Gedanke brachte sie erneut ins Grübeln. Und wenn er sie nur aus Pflichtgefühl heiratete? Wenn er sie nicht wirklich liebte?
Auf dem Weg ins Frühstückszimmer wischte Lindsey diese Zweifel beiseite. Thor liebte sie. Dessen war sie sich sicher – beinahe sicher. Und falls er sie noch
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