Mein mutiges Herz
den Frauen in Verbindung brachten, die in Covent Garden ermordet wurden.“
Aufgebracht warf Rudy seine Serviette auf den Tisch. „Gerüchte! Vollkommener Blödsinn. Merrick ist der Sohn eines Marquess, Herrgott noch mal, und er trägt den Titel eines Viscounts. Er ist mein Freund, und er begeht keinen Mord. Was ist nur in dich gefahren, Schwester? Du hast Stephens Namen auf Mamas Hochzeitsliste gelesen und versuchst, ihn in Misskredit zu bringen, ist es das?“
„Unsinn. Das hat nichts mit Mutters Liste zu tun.“
Rudy schob seinen Stuhl geräuschvoll zurück und sprang auf. „Stephen und ich haben gemeinsam studiert. Wir sind seit Jahren befreundet. Ich kenne ihn durch und durch. Du solltest dich schämen!“ Er bedachte sie mit einem vernichtenden Blick und verließ zornentbrannt das Zimmer.
Verflixt und zugenäht! Sie hätte wissen müssen, dass Rudy ihn verteidigen würde. Er hatte in Stephen immer ein Vorbild gesehen. Wenigstens hatte sie nun Gewissheit, dass der Viscount am Abend des zweiten Mordes in seinem Club war, wie sein Kutscher bereits ausgesagt hatte.
Aber um welche Zeit war er gegangen?
Und wohin?
23. KAPITEL
In den Verlagsräumen herrschte wieder einmal emsige Geschäftigkeit. Das Ende der Woche nahte, die Stanhope Presse druckte ratternd die neue Ausgabe der Zeitschrift. Lindsey saß nervös hinter ihrem Schreibtisch. Obwohl ihre wöchentliche Kolumne bereits in Druck ging, war sie gekommen, um Thor zu sehen. Sie musste dringend mit ihm sprechen, ihm von ihrer Unterredung mit ihrer Mutter berichten und ihn davon überzeugen, sie zu heiraten.
Die Eingangstür schwang auf. Thors hünenhafte Gestalt füllte den Türrahmen, sein dunkles Haar vom Wind zerzaust. Mit langen Schritten durchquerte er die Halle. Sofort stand Lindsey auf und ging ihm entgegen.
Sein Blick ging zu ihr; ihr Magen krampfte sich zusammen, und das Blut rauschte ihr in den Ohren. „Krista sagte, du arbeitest heute im Verlag, und ich … ich hoffte, dich zu sehen … Ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen.“
„Wie du wünschst. Wir können nach oben gehen.“
Sie wandte den Blick ab. Ihre Affäre war beendet, und Thor wollte Abstand zu ihr halten. Wie konnte sie nur denken, dass eine Annäherung und ein Gespräch mit ihm einfach sein würden?
„Ich dachte, wir könnten einen Spaziergang im Park machen.“ Green Park lag nicht weit entfernt, und der Tag war erstaunlich milde für den späten Oktober. Zudem wollte sie das Gespräch nicht hier oder in einem Kaffeehaus führen.
Außerdem lag Thors Wohnung nicht weit vom Park entfernt. Falls er ihrem Antrag zustimmte, könnten sie die Vereinbarung möglicherweise mit einem zärtlichen Rendezvous beschließen. Der Gedanke ließ Hitze in ihr aufsteigen.
Thor beobachtete sie scharf. „Gibt es Neuigkeiten von Merrick?“
„Nein, ich … es geht um uns, Thor.“
Langsam schüttelte er den Kopf. „Ich halte es für falsch, wenn wir zusammen sind. Das sagte ich dir bereits.“
„Vielleicht änderst du deine Meinung … wenn du hörst, was ich zu sagen habe.“ Nachdem ihre Entscheidung getroffen war, hatte sie reichlich Zeit gehabt, darüber nachzudenken.
Geld war ihr nicht wichtig. Thor arbeitete fleißig. Lindsey hatte ihre Stellung bei Heart to Heart , außerdem eine kleine Apanage, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte. Sie würden es schaffen.
Die feine Gesellschaft war ihr gleichfalls nicht wichtig. Sie konnten Geld beiseitelegen, um sich ein kleines Anwesen auf dem Land zu kaufen. Thor liebte das Leben auf dem Lande. Der prachtvolle Hengst gehörte nun ihm. Sobald das Pferd völlig gezähmt wäre, würde er stattliche Deckgelder bringen, und später einmal konnten sie eine Pferdezucht gründen. Sie war nicht auf das Gesellschaftsleben angewiesen, um glücklich zu sein. Solange sie mit Thor zusammen war, würde sie nichts vermissen.
„Ich gehe um vier Uhr und warte an der nächsten Straßenecke“, sagte er schließlich. „Du sagst mir, was du zu sagen hast, und ich höre zu. Mehr nicht.“
Lindsey nickte. Er war ihre verbotene Beziehung leid, und letztlich erging es ihr ebenso. Sie konnte es kaum erwarten, seinen Gesichtsausdruck zu sehen, wenn sie ihn bat, sie zu heiraten.
Den Nachmittag verbrachte Lindsey an ihrem Schreibtisch und machte sich Notizen für ihren nächsten Artikel, es fiel ihr allerdings schwer, sich zu konzentrieren. Die Zeiger der Wanduhr schienen sich kaum zu bewegen; jedes Mal, wenn sie aufblickte, krochen sie unendlich
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