Mein mutiges Herz
liebte sie.
Im Rückblick wurde ihm klar, dass er sie bereits liebte, ehe er beobachtet hatte, wie sie über die Hügel von Renhurst geritten, über Hindernisse gesprungen war mit dem Geschick und der Kraft eines Mannes, eine Walküre, ein weiblicher Krieger, stark und mutig, eine Frau, die eines Wikinger-Stammesfürsten würdig war.
Er würde mit Freuden sein Leben für sie lassen. Im Grunde hatte er nichts anderes getan, als er ihr die schrecklichen Beschimpfungen ins Gesicht schleuderte. Sein Leben hatte seinen Sinn verloren.
Im Halbdunkel seines Zimmers nahm er eine Bewegung wahr. „Wie konntest du ihr das antun?“
Beim Klang der weiblichen Stimme fuhr er herum. In einem Sessel neben dem Sofa beugte Krista sich vor, ihr Gesicht vom schwachen Schein einer Straßenlaterne erhellt.
„Wie konntest du ihr nur diese abscheulichen Dinge an den Kopf werfen?“
Er ließ sich aufs Sofa fallen. „Mir blieb keine andere Wahl.“
Krista erhob sich. „Wie bitte? Dir blieb keine andere Wahl?! Du hast sie vernichtet, Thor. Du hast ihr das Herz gebrochen, und ich weiß nicht, ob sie sich von diesem Schock je erholen wird.“
„Sie wird einen ehrenwerten Gentleman heiraten und mit ihm das Leben führen, das sie verdient.“
„Du bist ein Narr, Thor Draugr. Ich hätte nie vermutet, dass du ein solcher Dummkopf bist.“
Thors Kehle war wie zugeschnürt. Genau diesen Vorwurf hatte er sich selbst gemacht. „Ich könnte sie nicht glücklich machen. Wir passen nicht zueinander.“
Erzürnt baute Krista sich vor ihm auf. „Und du denkst, wenn sie einen anderen Mann heiratet, wird sie glücklich? Sie liebt dich. Sie wird mit keinem anderen Mann glücklich werden. Genauso wenig wie du mit einer anderen Frau. Wie kannst du nur so blind sein?“
„Willst du damit sagen, ich hätte zustimmen und sie heiraten sollen?“
„Natürlich!“ Krista ging vor ihm in die Knie und nahm seine Hand, die sich eiskalt anfühlte. Ebenso kalt wie der eisige Klumpen in seiner Brust, der sein Herz war.
„Ich weiß, dass du sie liebst“, sagte Krista. „Und weil du sie liebst, wirst du einen Weg finden, um sie glücklich zu machen.“
Einen Moment lang keimte Hoffnung in ihm auf. Hatte Krista vielleicht recht? Könnte er sie wirklich glücklich machen? Diese Hoffnung schwand rasch wieder. Lindsey brauchte einen Gentleman an ihrer Seite, einen Mann ihrer Gesellschaftsschicht.
„Hast du daran gedacht, was passieren könnte, wenn sie ein Kind von mir empfängt? Der Trank, den sie einnahm, hat das bisher verhindert, aber früher oder später würde es geschehen.“
„Na und …?“
„Lindsey ist zu schmal gebaut, um das Kind eines Mannes meiner Körpergröße auszutragen.“
Krista gab einen verächtlichen Laut von sich. „Sei bitte nicht lächerlich. Der Körper einer Frau wächst, um Platz zu schaffen für das Kind in ihrem Leib. Und falls dir das entgangen sein sollte, Lindsey hat runde weibliche Hüften. Sie ist keineswegs zu schmal gebaut, um eine Geburt zu überstehen. Im Übrigen sind das Entscheidungen, die Gott trifft, nicht du.“
Eine Welle der Erleichterung durchströmte ihn. Wenigstens hatte seine stürmische Leidenschaft sie nicht in Gefahr gebracht.
„Ich habe sie verletzt“, sagte er dumpf. „Ich konnte keine andere Lösung finden.“
„Aber ich weiß eine andere Lösung. Du wirst zu ihr gehen, dich für die schrecklichen Dinge, die du ihr an den Kopf geworfen hast, entschuldigen, ihr deine Liebe gestehen und sie bitten, dich zu heiraten.“
Wehmütig sah er Krista an und wünschte, er könnte diesen Schritt wagen. Gleichzeitig wusste er, dass er ihn nicht wagen durfte. „Ich muss das tun, was ich für das Beste für Lindsey halte. Ich bin nicht der richtige Mann für sie.“
„Sie ist die richtige Frau für dein Leben! Sie gehört zu dir! Willst du das etwa leugnen?“
Thor hüllte sich in Schweigen.
Krista erhob sich mit einem gereizten Laut, wandte sich ab und ging zur Tür. „Denke über meine Worte nach. Und warte nicht zu lange. Sie glaubt, du willst nichts von ihr wissen. Und sie wird den Mann heiraten, den ihre Eltern für sie aussuchen.“ Sie riss die Tür auf. „Einer der Kandidaten ist Stephen Camden. Aber vielleicht denkst du ja, er kann sie glücklicher machen als du.“ Krista schlug die Tür hinter sich zu und ließ Thor mit seinem Elend allein.
Stephen Camden.
Thor wusste, dass Lindsey niemals den Mann heiraten würde, der möglicherweise ein Mörder war, ein Mann, der für seine
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