Mein mutiges Herz

den Mund.“
    Wilkins machte Anstalten zu protestieren, brachte aber nur ein unverständliches Krächzen heraus. Auf schlotternden Beinen sank er entmutigt auf seinen Stuhl.
    Thor verließ das Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Saber, an den Gartenzaun gebunden, hob den Kopf und wieherte zur Begrüßung. Thor verstaute die Zertifikate in den Satteltaschen, nahm die Zügel auf und schwang sich in den Sattel.
    „Zeit, nach Hause zu reiten, mein Freund“, sagte er und tätschelte den glänzenden schwarzen Pferdehals. Er wendete den Hengst und machte sich in gemächlichem Trab auf den Rückweg. Seine Mission war erfüllt und das Aktienpaket wieder in seinem Besitz.
    Er hatte sein Ziel erreicht, seine Zukunft war gesichert. Aber nichts konnte die dumpfe Leere in seinem Herzen füllen.
    Es war bereits dunkel, als Thor London erreichte. Er brachte Saber in den Mietstall am Green Park und überließ ihn der Betreuung des jungen Tommy Booker. Der Hengst wieherte leise, als der schlaksige Bursche ihn beim Zügel nahm.
    „Gib ihm eine Extra-Ration Hafer“, wies Thor ihn an, „und reib ihn sorgfältig trocken, bevor du ihn in seine Box stellst.“
    „Ja, Sir.“
    Thor verließ den Stall, winkte eine Mietdroschke herbei und fuhr zum Haus seines Bruders. Es war reichlich spät für einen Besuch, aber hinter den Fenstern brannte noch Licht. Der Butler ließ ihn wissen, dass die Herrschaften zu Hause seien, und führte ihn den Flur entlang in den Privatsalon, in dem die Familie sich meist aufhielt.
    Krista saß auf dem Sofa und wiegte seinen kleinen Neffen Brandon Thomas im Arm. Leif hatte es sich mit einem Buch in seinem Lehnstuhl bequem gemacht.
    „Guten Abend, Bruder.“ Er erhob sich lächelnd. „Was führt dich zu dieser späten Stunde zu uns?“
    Thor trat zunächst ans Sofa und betrachtete das Baby im Arm seiner Schwägerin, einen pausbäckigen, flachsblonden Säugling, der bereits in diesem zarten Alter seinem Papa verblüffend ähnlich sah.
    „Wie geht es denn unserem kleinen Prinzen?“, fragte Thor liebevoll.
    Krista lächelte. „Er gedeiht prächtig und weiß sich mit seiner kräftigen Stimme bereits wirkungsvoll durchzusetzen.“ Im Augenblick aber schlief der Knabe selig. Sie erhob sich, gewährte Thor noch einen Blick auf das Baby, bevor sie es dem Kindermädchen übergab, einer jungen Frau mit gütigen warmen Augen und dunklem Haar, die an der offenen Tür wartete.
    „Wir sehen noch einmal nach dem Kleinen, bevor wir zu Bett gehen“, sagte Krista und hauchte dem Kind einen Kuss auf die zarte Wange.
    Das Kindermädchen machte einen Knicks und entfernte sich, während Thor sich an Leif wandte.
    „Ich komme gerade von einem Ausflug auf das Land zurück. Ich habe Silas Wilkins einen Besuch abgestattet und ihm meine Aktien wieder abgenommen, die er mir gestohlen hat.“
    „Du hast sie wieder?“, fragte Krista interessiert. „Du klingst, als sei das ganz einfach gewesen, was ich mir nicht vorstellen kann. Wie hast du es geschafft?“
    „ Honing , das willst du gar nicht wissen“, sagte Leif. Honing war das Wort für Schatz in Altnordisch. Das Paar wechselte einen liebevollen Blick.
    „Wollen wir uns setzen?“, schlug Krista vor. „Darf ich dir ein Glas Brandy anbieten, Thor, oder vielleicht etwas anderes?“
    Er schüttelte nur den Kopf und ließ sich erschöpft auf dem Sofa nieder. „Es war ein ziemlich anstrengender Ritt.“
    „Ich bin froh, dass du noch gekommen bist“, meinte Leif. „Nach unserem letzten Gespräch habe ich einige Erkundigungen eingezogen. Du hast also deine Aktien wieder, die Zertifikate, die du ursprünglich gekauft hast?“
    „Ja.“
    „Hast du eine Ahnung, was diese Aktien heute wert sind?“
    Thor atmete hörbar aus. „Hoffentlich so viel, dass ich mir davon ein kleines Anwesen auf dem Land kaufen kann.“
    Leif feixte. „Du bist ein wohlhabender Mann, Bruder. Deine Aktien haben sich verdoppelt und wurden gesplittet, verdoppelten sich noch einmal und wurden wieder gesplittet. Inzwischen ist ihr Wert um das Hundertfache gestiegen. Zusammen mit deiner Beteiligung an Walhall Shipping ergibt das ein stattliches Vermögen.“
    Krista lächelte. „Deine Zukunft ist gesichert, Thor.“
    „Das ist eine gute Nachricht.“
    „Eine sehr gute Nachricht“, verbesserte Krista ihn. „Und das bedeutet, dass du Lindsey heiraten kannst, sofern das immer noch dein Wunsch ist.“
    Thors Herz machte einen Satz. Seit er wieder in Besitz seiner Aktien war, konnte er an nichts